Schwartz gegen Muhlius, 1705
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verspricht er eine künftige nähere Ausführung „derjenigen“ Meinungen, welche er
„in diesem zusammengestoppelten Zeug als die seinen erkenne““).
Dem heftigen und aufgeregten „Vorbericht“ seines Gegners setzte Schwartz
einen „Nachber icht“ entgegen““), dessen ruhiger und sachlicher Ton von der
unerschütterlichen Ruhe dieses eigenartigen Mannes und von seinem guten Ge—
wissen ablegt. Er sucht hier J. nachzuweisen, daß seine Beschuldigungen gegen
M. nicht aus falschen Folgerungen herfliesiten, sondern dessen Worten entsprechen;
2. weist er aber auch ganz richtig darauf hin, daß bei Prüfung neuer Lehrsätze
auch deren Konsequenzen in Betracht zu ziehen seien, daß mithin auch „unschuldig“
klingende Reden mit Recht zu verdächtigen seien, wenn sie zu anerkannt irrigen
Folgerungen führen; 3. weist er die ihm von M. erteilten schimpflichen Titel mit
aller Gelassenheit zurück. Nicht persönliche Gehässigkeit habe ihn zu seinem Vor—
gehen getrieben, sondern die Liebe zur göttlichen Wahrheit. Wenn daraus Aerger—
nis entstehe, so nicht durch ihn, der falsche Lehre hasse und strafe, sondern durch
die, welche an solcher Strafe Aergernis nehmen, weil sie dadurch sich getroffen
fühlen. S. 22 berichtet er, daß M. innerhalb 118, ja zwei Jahren nicht zum
Abendmahl gegangen sei, ein Vorwurf, dem M. nicht widersprochen hat.
Auf diese „Nachrede“ hat Muhllius nicht wieder geantwortet; nach seiner
Gewohnheit überließ er es seinen Freunden, die schmutzige Wäsche weiter zu
waschen.
Schon vor Schwartzens „Nachrede“, vielleicht auch schon vor Muhlius' „Vor
bericht“, erschienen „bey der ersten Durchblätterung eylfertigst entworffen von
einigen Hollsteinischen Dienern des Göttl. Worts“ (Kiel 1705, 600 Quartseiten)
„Kurtze Anmerckungen über Herrn D. Josuae Schwartzens Vorrede sei—
nes ... Traktats, genandt Chiliastische Vorspiele . . .“ Hier wird auf die
Sache nur insoweit eingegangen, als immer wieder betont wird, daß die von
Muhlius gehegte Hoffnung besserer Zeiten für die Kirche kein Chiliasmus sei;
im übrigen ist die Schrift lediglich auf „Personalia“' eingestellt und sucht in der
übelsten Weise Schwartzens Wert als moralische Persönlichkeit und „Gelehrten“
herunterzureisen. Die „Eylferigkeit“, in welcher die Schrift abgefaßt ist, zeigt
sich darin, daß lediglich Schwartzens Vorrede vorgenommen und eine „Angreifung
des Traktats selber“ „zur bequemeren Zeit“ in Aussicht gestellt wird, „in Hof—
nung, der Leser werde aus dem hier mitgeteilten Herrn D. Schwartzens Bosheit
und freventliche Anfeindung seiner unschuldigen Ampts-Brüder einigermasien schon
ersehen können.“ Bemerkenswert ist, daß die Verfasser (wer waren es?) es sich
angelegen sein lassen, Pufendorf gegen Schwartzens Anariffe zu verteidigen ).
») Diese ausführlichere Darlegung hat M., so viel ich weiß, jedenfalls von seinen „chi
liastischen“ Zukunftshoffnungen niemals gegeben. In diesem Hauptpunkte also hat Schwarl
das letzte Wort gehabt und M. sich schweigend zurückgezogen, wie er denn auch weiterhin stets
mit besonderer Verve seine Orthodoxie und seine Wertschätzung der symbolischen Bücher aus
gesprochen hat. Ganz vergeblich also ist Schhwartzens Lehrkampf nicht gewesen: ohne ihn wäre
vermutlich die ungesunde (hallesche) Richtung des Pietismus in unserm Lande viel stärker ins
Kraut geschossen als geschehen ist.
*) h. Josuae Schwartzens Nachbericht auf DD. Henr. Muhlii ... Vorbericht ... Flens
burg 1705.
») Darin zeigt sich die dogmatische Unfähigkeit der Pietisten. Sie hatten keine Auffassung
für das Widerchristliche, ja Antireligiöse, das in der „natürlichen Ethik“ eines Pufendorf steckt.
Schwartz dagegen besaß das richtige Fingerspitzengefühl für die der Kirche von der Aufklärung
her drohenden Gefahren, und es ist nur anzuerkennen, wenn er gegen den „Atheismus“ des sich
christlich gebärdenden Aufklärers mutig den Kampf aufnahm, ohne sich um den Hohn der
damaligen „Modernen“ und „Gelehrten“ zu bekümmern.