Muhlius und Lütkens gegen Schwartz, 1708
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Lehre tritt freilich gelegentlich hervor, so wenn er für Georg Major eine Lanze
bricht (G. 3.) oder (K. 2 b) Männer wie Stephanus Praetorius und Martinus
Statius nicht allzuhart anklagen möchte.
Es wäre schön, wenn wir mit diesem im ganzen sehr erfreulichen Buche unseren
Bericht abschliessen könnten. Leider aber ging der unfruchtbare Streit weiter.
Auf orthodoxer Seite suchte man seine Sache durch eine in Glückstadt erschienene,
also wahrscheinlich von Wildhagen besorgte deutsche Uebersetzung einer Dissertation
des Wittenberger Pietistenbekämpfers J. G. Neumann“) zu verstärken.
Auf pietistischer Seite kam nun der Hofprediger Lüt kens mit seinem Namen
heraus. Von Muhlius selber „unter hiesige Schleswigsche Presse befördert“, er—
schienen von ihm „Vier Schriften, betr. die wirckliche Selig—
keit der Gläubigenindem Gnadenreichehier auf Erden“
Copenhagen, 1708.
Das eigentliche Korpus dieses Werkes ist die 208 Quartseiten füllende „Reit
tung, darin —J). Schwartzens Brieff ... nach der Wahrheit geprüfet und dar—
gethan wird, daß es eine götliche . . . Warheit sei ... dasi die Gläubigen daß
ewige Leben . . . schon würcklich haben und geniesisen.“ (Mr. lv.) Mit Nr. l
bis 111 sind die Schriften bezeichnet, welche zu dieser „Rettung“ den Anlast ge—
geben haben und hier nun erstmalig veröffentlicht werden. Das sind J. der Brief,
in welchem Sibbern Lütkens Hilfe erbittet. II. Lütkens kurze Antwort darauf,
in welcher er „gantz frey und gerne bekennet, daß ich niemals anders gegläubet
und gelehret habe, als daß ein jeder Mensch, welcher im Glauben gerechtfertiget
und Gottes Kind worden ist, von Stund an das ewige Leben würcklich habe“.
III. Ein Schreiben Schwartzens an Caspar Wildhagen, in welchem Nr. II mit
den bekannten Argumenten widerlegt wird (27. Jannar 1707)*).
Eingeleitet wird das Buch durch eine ausführliche Widmung an König
Friedrich IV. und eine „christlich gemeinte““ salbungsvolle Anrede an Schwartz.
Aus beiden Schriftstücken läsit sich deutlich herauslesen, daß es Lütkens nicht
lediglich objektiv um eine „Rettung“ jener pietistischen These, sondern auch um
diejenige seines eigenen Rufes als orthodoxen Lehrers zu tun ist. Schw. hatte
nämlich „sich von Amts wegen verbunden“ gefühlt, eine Abschrift des Lütkenschen
Briefes und seiner Widerlequng desselben zu Händen der Deutschen Kanzleisan
den König zu übersenden, nebst einem „Memorial“, dessen Inhalt wir nicht kennen,
das aber vermutlich auf Lütkens „Irrlehre“ einen gewissen Nachdruck gelegt
haben wird. Diese Akte, jedoch ohne das „Memorial“ war dann Lütkens zur
Kenntnisnahme mitgeteilt worden. So bedurfte dieser um seiner selbst willen
einer Apologie seines Standpunktes, zumal da ausier der Königin kaum jemand
in Kopenhagen dem Pietismus geneigt war '). Der König hatte natürlich von
richtiger Orthodorie keine Ahnung und wird sich von dem beliebten und tüchtigen
Hofprediger gern und leicht haben überzengen lassen, dasi er recht lehre und der
holsteinische GS ein falscher Ankläger sei “), zumal, da die „Rettung“ ein gut
i) „De Brabeo ante victoriam?“
20) Aus dem Eingang dieses Briefes geht hervor, das Sibbern den von Lütkens erhaltenen
Brief abschristlich in Glückstadt verbreitet und sich „damit groß und breit gemacht“ hat.
?) War doch erst 1700 dort ein königliches Verbot der Konventikel herausgekommen ...
7) In der Tat baben wir allerlei Anzeigen davon, das Schwartzens eifriges Ketzermachen
den Kopenhagener Regierungsmännern nicht genehm war. Auch Schwartz mußte wie so manche
um die Reinheit der Lehre eifernde Theologen die Erfahrung machen, dast es den Juristen und
„Polilticis“ auf den Inhalt der gepredigten Lehre gar wenig ankam, wenn nur in der Kirche