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B. 2, K. 2, 527
und klar geschriebenes Werk ist, das die H. Schrift, die kirchlichen Symbole und
die Aeuserungen bedeuntender Kirchenlehrer geschickt ausbeutet ) und alles „schwär—
merische“ Verständnis der Sache ablehnt. Die Polemik gegen Schwartz ist ge—
mästigt, auch die Bosheiten sind in eine — weniger angenehme — schleimige
„Christlichkeit““ eingewickelt “).
Es war zu erwarten, dast zu solchen wuchtigen Angriffen der alte Rends,
burger Löwe nicht schweigen werde. 1709 erschien zu Hamburg, nach seineni Tode
gedruckt, D. Josuae Schwartzens ... Erweiterte Wiederlegung
der nun sonderlich in Holstein einreistenden Pietistischen gefährlichen Lehre usw.
Bemerkenswerter als der Inhalt des Buches ist die Tatsache, daß der 77jährige
Mann dies Riesenwerk (430 Quartseiten) auf seinem letzten laugen Kranken—
lager einem Freunde in die Feder diktiert hat, ein Zeichen, wie tief ihn die Sache
bekümmerte, aber auch seines bis zum lekten Atemzuge frischen und kräftigen
Kämpfergeistes.
Da dieser „Schwanengesang“ des tapferen Streiters erst nach seinem Tode
herauskam, konnten ihm einige poetische Nachrufe angehängt werden. Sie zeigen
sämtlich, daß dieser von pietistischer Seite so abscheulich gemalte Mann bei seinen
Gesinnungsgenossen, den Orthoderen, höchste Verehrung genoß. Sehr schön
heisit es in einem:
Veram Pietatem coluit sine Pietismo,
Halcyonia Ecclesiae optavit sine Chiliasmo,
Libertatem conscientiis indulsit sine Indifferentismo
Veram Animarum Quièétatem docuit sine Quietismo.
Amicus Bonis Omnibus,
nec ulli hostis, nisi Ecclesiae hostibus ..
Viator. cujus manes Pii venerantur omnes, non Pietistae.
Eine nachträgliche Rechtfertigung empfing der alte Kämpfer durch eine Dis-
putatio Theologica Fridériciana, welche sein Nachfolger Theodor
alles in Ruhe und Frieden abging und der gute Schein der Orthodorie nach ausien hin gewahrt
wurde. Das wusiten auch die Pietisten. Daher die Abschleisungen und Milderungen des ur⸗
sprünglich viel „wilderen“ (spiritualistischen) Pietismus, wie seine an hoher Stelle wirkenden
Anhänger, Soeener voran, sie unternommen haben. Mit sarkastischem Humor sagt Schwartz
(Erweiterte Widerlegung S. 41) von den devoten Widmungen an den König, bzw. die Her⸗
zogin, welche Lütkens und Muhlius ihren Schriften vorangesetzt hatten: „Welches mich aber
nicht so sehr wunder nimmt, weil es dieser neuen Heiligen Religion erfordert, daß sie sich
solcher Kühnheit bey hohen Häuptern, ihre Irrthümer fortzubringen, unternehmen und sie
immittelst ihre Gnädige, liebe und Herzliebe öffentlich titnliren“. Schwark selber war von
solcher Umschmeichelung der Mächtigen völlig frei. Aufrecht und ehrlich, nur seiner Sache, die
nach seiner Ueberzeugung Gottes Sache war, dienend, ohne um der Menschen Gunst zu buhlen
— so steht dieser vielverleumdete Mann vor uns, ein Märtyrer seiner Orthodorie, dem sein
Kampf keinerlei Ehre und Gewinn, sondern lediglich die greulichsten Verunglimpfungen seitens
der Angegriffenen und Undank bei den Mächtigen eingebracht hat.
) Micht ohne Absicht führt Lütkens auch einige „holsteinische“ vornehme Theologen an.
So Mag. Thomas Lund in Flensburg, Christian Scriver und zum Schlusi Hieronymus von
Pettum. Dessen außerordentlich sorgfältig gearbeitetes Gutachten von 1700 ist sogar mit auf
fallend großen Lettern gedruckt, um recht hervorzuheben, das in dieser Sache sogar ein könig
licher Propst dem königlichen GS zuwider sei.
nu) Zu diesen kleinen Bosheiten gehört es, wenn Lütkens den Spiest umdreht und meint, daß
nach der ihm eigenen Methode Schwartz selber zum Irrlehrer gestempelt werden könne, wenn
er z. B. lehre, daß nach J. Kor. 15 die Leiber der Seligen „nach ihrem eigentlichen esse oder
Wesen“ von den Erdenleibern verschieden sein würden — eine Lehre, welche in der Tat von
orthodorer Seite moniert worden war.