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Statt auf diese Fragen sich alsbald rund und kurz zu erklären, erbat und erhielt
Str. die Erlaubnis sich schriftlich darüber zu äußern. Er verfasite nun zur Be⸗
antwortung dieser Fragen eine ausführliche „Deduction““), welche er am
22. Juli im Konsistorium verlas. Statt ihn darauf hin rund und nett als Irr⸗
lehrer zu erklären, fand sich dasselbe gemüßigt, ihm auf seine „Deduction“ eine
ausführliche schriftliche „Beleher ung“ zu geben, was natürlich wieder Wochen
lang dauerte. Nach Empfang dieser „Belehrung“ forderte Str. wieder eine 20—
wöchige(!) Frist zu einer endlichen „kategorischen Erklärung“. Diese wurde ihm
indessen nicht bewilligt. Darauf erhob er „Protestation“ an den König, und das
Konsistorium „supplicirte“ gleichzeitig an denselben. Die Autwort war ein Befehl
aus dem Königl. Conseil an Str., sich innerhalb vier Wochen bei S. M. zu
verantworten, warum er auf die zwei Fragen des ihm vorgesetzten Konsistorium
sich einer richtigen und deutlichen Antwort entlediget habe, und nunmehr eine solche
immediate an S. M. einzureichen (21. Febr. 1708). Wie Strandigers Ant—
wort gelautet hat, steht dahin: ehrlicher Weise mußte sie derart sei, daß er darauf
nichts anderes als eine Ausweisung aus dem Königlichen Gebiet erwarten konnte:
ein Mann, der die Kindertaufe und den kirchlichen Gottesdienst verwarf, war ein
Ketzer, den die Obrigkeit nicht im Lande dulden durfte. Doch damals erfolgte ein
consilium abeundi noch nicht, man ließ, wie es scheint, in Kopenhagen die
Sache „schleifen“. Aber Str. fühlte selber, das in Flensburg seines Bleibens
nicht mehr sei: er kam einer etwaigen Ausweisung zuvor, indem er sich mit Weib
und Sohn in das Gottorfische Ketzerasyl Friedriisch sta dt begab. Da war
auch für ihn der richtige Ort: dort konnte er still und nnangefochten seines Glau—
bens leben. Auch in den „Kriegstroublen“ (1713), so schreibt er) „bewiesen ihm
die Schweden und Muscowiter bei weitem nicht so viel Feindseligkeit, als Hr.
Braker ihm gethan, der doch sein Schwager war.“ Wie tolerant er dachte, ergibt
sich daraus, daß er seine Frau und seinen Sohn ruhig sich zur lutherischen Kirche
halten ließ. Für sich selber aber suchte er, ohne erklärtermasien zu ihnen über
zutreten, Gemeinschaft mit den Mennoniten').
War Str. so dem ärgerlichen sonntäglichen Anprangern durch Braker u. a.
entronnen, so konnte er doch nicht hindern, daß seine Sache literarisch
behandelt wurde, ja, er gab selber den Anlaß dazu. Bei seinem Scheiden
aus Flensburg veröffentlichte er zu seiner Rechtfertigung vor diesem seinen „ge—
liebten Vaterlande“ jene im Konsistorium verlesene „Deduction“ unter dem Titel:
Otto Lorentzen Strandigers, vormaligen Predigers Bekänntnüs vondem
Kirchlichen, sogenannten GottesdienstimLuthertum . . .
(o. O. 1708). Der Titel ist irreführend, denn er behandelt hier hauptsächlich J.
seine Ansicht von der Kindertaufe und dann erst II. die vermeintlichen Schäden
des öffentlichen Gottesdienstes. In J. entwickelt er die bekannten Gründe gegen
die Kindertaufe, wie sie noch heute von ihren Bekämpfern vertreten werden, in
II. straft er das unchristliche Leben der Gemeindeglieder') und des größten Teils
der Prediger, die Leichen- als Lügenvredigten, die Absolvierung notorischer Sünder
) Dieselbe umfasit im späteren Druck 140 Oktapseiten.
) Heilsahme Wahrheit S. 15.
io) Vgl. ebendort S. 63-07 das warme Lob, das er deren frommen Christenwandel erteilt.
Auch von ihren Lehrsätzen sagt er, „dasi selbige mit dem Buchstaben heiliger Schrift besser
können bewiesen und behauptet werden als die Sätze aller übrigen Sekten.“
1) Val. S. 78: „Gewissenhafte Prediger klagen selbst, daß sie kaum 3. ä 6. rechte, Gott
meinende und fromme Christen in ihren auch großsen Gemeinden haben.“