Die Examina
205
demnach dieser promolion nicht unfähig, sondern lasse es auch bey meines sel. Herrn An-
lecessoris!!) gutem Judicio bewenden etc.
Von dem der Ordination vorangehenden Hauptexamen dürfen wir an—
nehmen, daß die damit betrauten Männer — auch die meisten Pröpste des
17. Jahrhunderts waren tüchtige und gelehrte Leute — es durchgängig mit Ernst
und Gründlichkeit betrieben haben.
Von Fabr. d. J. erfahren wir z. B., daß er den BuM 9,114 f. genannten
Franciseus Schröder zwei Tage lang mehrere Stunden prüfte und ihn erst am
dritten Tage ordinierte (Const. V, 83). Daß namentlich St. Klotz, der unter
seinen Geistlichen keine „Idioten“ zu sehen wünschte und für die Hebung des geist—
lichen Standes in jeder Weise sorgte, das Ordinationseramen mit Ernst und
Strenge wird gehalten haben, ist anzunehmen. Aber aller Ernst und Eifer der
Examinatoren verhinderte nicht, daß dennoch nicht wenige „Idioten“ ins Amt
kamen. —8
Der Hauptübelstand lag doch darin, daß junge Leute, die keinerlei
Qualifikation aufweisen konnten, durch Präsentation der Patronate und nach—
folgende Wahl oder Zustimmung der Gemeinden für eine bestimmte Stelle in
Aussicht genommen wurden, ehe der oberste Geistliche durch die ihm zustehende
Prüfung sein Votum über ihn abgegeben hatte. Der Superintendent hatte
natürlich das Recht, einem Untüchtigen das Examenszeugnis zu verweigern. Aber
bei der Macht und dem Einfluß, den der Adel bei Hofe hatte, in Anbetracht der
Kämpfe und Beschwerden, welche die Zurückweisung des Erwählten auch bei
bürgerlichem oder bäuerlichem Patronat herbeiführen würden, war es für ihn un—
gemein schwer durchzugreifen, und nur allzuoft mußte er seufzend einem Kandi—
daten, den er nach seinen Leistungen im Tentamen ungenügend erfand, sein Placet
geben. Erst recht galt das von den Pröpsten, die den Ortsgewaltigen ja noch näher
standen als die GGSS. Auch daß in Gottorf Illustrissimus selber (jedenfalls
Friedrich III. nach Bu II, 536, zum Teil auch wohl schon Johann Adolf) bereit
war, bei Gelegenheit des Tentamens eine Probepredigt des „Erwählten“ anzu—
hören, verbesserte die Sachlage nicht ohne weiteres.
Der Hauptfehler war eben ein organischer. Es fehlte an einer von
jeder Berufung unabhängigen Qualifizierung der
künftigen Amtsträger oder m. a. W. einer richtigen Kan—
didatenordnung.
Den ersten Schritt hiergu stellen die Versuche dar, unreifen jungen
Leuten, die sich für große Redner hielten, die Kanzel zu versperren. Es ist
sehr bemerkenswert, mit welchen scharfen Ausdrücken die betreffenden Verfügungen
die bei den Predigern eingerissene üble Gewohnheit, solche grüinen Jungen für
sich predigen zu lassen, verurteilen.
So heißt es in der Instruktion des Königlich-Dithmarscher Propsten Chüver
(16030): „Fürs Andere, alst auch eine zimbliche Unordnung in den Exercitiis
concionandi eingerissen, da offtmals unbekandte und ungelehrte Gesellen, die
keine rechtschaffene Testimonia weder von hohen Schulen oder auch anderer
Obrigkeit und Gemeinden haben vorzuzeigen, sich unterstehen, die Cantzel zu be—
treten, und von Gottes Geheimnissen zu nicht geringer Aergerniß der Einfältigen
Zuhörer weitlich daher zu schwatzen, wollen wir auch, daß hinfüro solches überall
eingestellet, und ohne gedachten unsers Probsten Vorwissen, auch vorher—
»1) Das war der 1078 —584 amtierende GS Chr. von Stöcken gewesen.