Bottesdienste
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Als solche treten uns in der KO zunächst die Schülergottesdienste
entgegen, für welche S. 19— 24 recht ausführliche Regeln gegeben werden. Es
handelt sich hier um täglich morgens um 8 Uhr (Matutinae, Metten) und nach—
mittags um 2 oder 3 Uhr (Vespertinae, Vespern) von den Lateinschülern und
ihren Lehrern verrichtete, wesentlich in lateinischer Sprache gehaltene liturgische
Gottesdienste, bei denen jedenfalls des Morgens auch eine Predigt gehalten
werden konnte. Ja, S. 21 wird auch Austeilung des Abendmahls erlaubt, doch
nur, wenn eine besondere Notwendigkeit vorliegt, damit solches nicht „aus Ver—
achtung der allgemeinen Messe geschehe“. Ob diese Vorschriften überhaupt in
unserm Lande praktisch geworden sind? Jedenfalls konnte das nur in Städten mit
besseren Lateinschulen geschehen und ist sicher frühzeitig ganz abgekommen.
Noch mehr gilt dies von der ausführlichen Instruktion Bugenhagens über die
Zeremonieninden Domstiften und Klöstern (S. 1282 178).
Ob die Domherren zu Schleswig wirklich täglich ihre Horen gesungen haben, ist
mir nicht bekannt. Die Mannsklöster aber sind so früh säkularisiert worden, daß
die schönen Vorschriften Bugenhagens kaum zur Praxis werden konnten. Immer—
hin haben sie in den allein übrig gebliebenen adehligen Jungfrauen-—
klösst eren einen längeren Nachhall gefunden. Jedenfalls ist uns bekannt, daß
im Kloster zu Preetz noch 1039 ein reiches gottesdienstliches Leben bestand
(Fabr.). Hier hielten die Jungfrauen täglich im Chor der Kirche morgens 82898,
nachmittags 3— 4, bzw. im Winter 2—23 Uhr ihre „Sang- und Betstunden“.
In diesen sangen sie die Psalmen Davids in „Sächsischer““, die Lieder Luthers
in „Meißnischer“, die liturgischen Teile aber in Lateinischer Sprache. Die neu
Eintretenden wurden vom Organisten im Choralgesang unterrichtet, und zwei
„Sangmeisterinnen“ leiteten den Gesang und respondierten dem Pastor. Sie
hatten hier einen besonderen Gottesdienst am Weihnachtsabend: um 11 Uhr
sangen die Jungfrauen, von 12201 Uhr predigte der Pastor. Am Stillen Freitag
wurde dort nicht wie sonst die Passion von der Kanzel gelesen, sondern im
Chor „nach Personen“, also in dramatischer Form, durch die Schulknaben aus
dem Flecken und andere in Musik erfahrene Leute gesungen — sicherlich noch
ein aus dem Mittelalter erhaltener Brauch. Die Litanei wurde an allen Mitt—
wochen gesungen, der Pastor hob sie, auf der Kanzel knieend, an, und die Jung—
frauen respondierten singend.
Hier hat sich also aus dem reichen gottesdienstlichen Leben der alten Kirche ein
Stück in die neue Zeit hinübergerettet. Auch finden wir Spuren davon, daß trotz
der Gebote der KO hier und da die alten Heiligen-und Aposteltage
noch gefeiert wurden. Nach Fabr.Klotz' Bericht aus dem Jahre 1037 wurde in
Westensee der St. Katharinentag (25. November) gefeiert, sowie in vielen Ge—
meinden Wagriens und der Propstei der Marien-Magdalenentag (22. Juli). Ja,
letzterer wurde besonders heilig gehalten, „da die Leute dafür halten, das es eine
Rechende, oder wie sie reden, Wrekende hillige sey, daß, wan die leute an dem
Tage arbeiten, sie alsdann schaden haben““7). Ebenso wurden zu Pr. Hagen,
Schönberg, Preetz, Lebrade, Giekau, Lütjenburg und Neukirchen alle Apostel⸗
5) Diese merkwürdige Auffassung schreibt sich wohl davon her, daß nach der Volkssage
die Tagesheilige durch ein Wunder die entscheidende Schlacht bei Bornhöved (22. Juli 1227)
zu unguͤnsten der Dänen entschieden hatte. So war sie in den Augen des holsteinischen Volkes
zu einer Kriegsund Siegesgöttin geworden.