B. 2, K. 4, 9 35. Der Kultus
tage gefeiert ). Zu Selent und Nücheln wurde auch Pauli Bekehrung (25. Ja—
nuar), zu Lütjenburg der St. Laurentiitag gefeiert. Wenn der Visitator wünscht,
daß diese örtlich verschiedenen besonderen Feiertage abgeschafft werden möchten,
„damit aller orten, so viel müglich, eine gleichförmigkeit sein müchte““, so können
wir das nur bedauern: die lutherische Staatskirche hat leider nie recht verstanden,
volkstümliche Sitten und Gebräuche für die Verkündigung des Evangeliums aus—
zuwerten.
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mittelalterlicher Feierfreudigkeit sind doch die in der erneuerten Kirche neu ein-—
geführten, in der KOnoch nicht erwähnten Feiertage.
Da ist zunächst das Reformationsfest, das im 17. Jahrhundert als
alljährlich zu haltende Feier aufkam. Es wurde passender Weise auf den Tag vor
Allerheiligen (31. Oktober) gelegt.
Ferner wurden die Mittwoch-Fastenpredigten eingeführt bzw.
wieder eingeführt. Lau schreibt zwar (S. 445): „Eigentliche Fastenpredigten
waren unbekannt, sie sind nur als Ueberbleibsel der früheren Wochenpredigten ge—
blieben.“ Das ist nicht ganz richtig. Ich finde in den Visitationsberichten (Fabr.),
daß man um 1040 sich bemühte, auch in den Landkirchen, in denen keine Wochen—
predigten stattfanden, wenigstens Fasten-Wochenpredigten einzuführen. Solche
scheinen dann allmählich allgemein geworden zu sein.
Das wichtigste war jedoch die allgemeine Einführung bestimmter Buß- und
Bettage.
Auch in der alten Kirche hatte es solche gegeben, aber nicht als feste Tage,
sondern als regional bei bestimmten Volksnöten angeordnete Feiern. Auch in
dieser Beziehung folgte zunächst die neue Kirche der alten. So finde ich (BuJ,
135 f.), daß Naaman Bernhardi, Propst zu Meldorf (1034 — 600),
16039 für seine Marschgemeinden anordnete, daß, „da in diesen letzten betrübten
Zeiten die Sturmwinde sich immer mehr und mehr erhöben und das Wasser
immer höher laufe, die Prediger, so oft solche Gefahr vorhanden, ihre Zuhörer
durch einen Glockenstreich zusammen fodern lassen und mit ihnen eine Betstunde
halten sollen, um also dem zornigen Gott in die Rute zu fallen und die schweren
Strafen, welche schon über ihren Häuptern schwebten, durch ein eifriges Gebet
und wahre Busie abzuwenden oder wenigstens zu lindern““. Wir erfahren zugleich,
wie solche Betstunden gehalten wurden:
Erstlich J Gesänge, wie etwa: Wend ab deinen Zorn etc., Wenn wir in höchsten Nöten
sein ete. Erbarme dich mein Herr und Gott ete. Dann Predigt über Levit. 260 oeder
Deutéron. 28 oder sonst einen passenden Tert. Endlich Verlesung eines auf die Not
passenden Gebets und Absingung der Litanei.
Die Einführung fester allgemeiner „Fast-, Buß- und Bet—
tage“ brachten die Nöte des 30jährigen Krieges.
In der Hoffnung, so ein Uebergreifen der Kriegsfurie in unser Land zu ver—
hüten, wurde auf Anregung des Niedersächsischen Kreistages von König und
Herzog gemeinsam am 29. März 1023 verordnet (GWS. 354ff.), daß je der
Mittwochh als Betetag gefeiert werden sollte. Der Zweck wurde nicht erreicht:
) Tadelnd bemerkt dazu der Visitator, dasi die Leute dieser Gegend am Tage Jacoebi
Alrhaci (1. Mai) „ein abergläubisch wesen treiben, indem sie die Aecker mit grünen Zweigen
bestecken, in der Meinung, so von der Zauberei frei zu sein“.