Die Messe
Es folgt wie in der röm. Messe das Kyrie eleison entweder in
Wechselgesang des Priesters und des Chors oder aber vom Chor (Walther)
S. 118) oder gar vom Küster allein gesungen (Mich. S. 100). Die KO erlaubt
ausdrücklich, nach althergebrachter Weise („Wo wente hertho geholden ys“) „nach
Unterschiedenheit der Zeit“ (de tempore) „mit mancherlei Noten“ zu singen,
eine Erlaubnis, von der nur in Kirchen mit einem gut geschulten Schülerchor, also
in größeren Städten wird Gebrauch gemacht worden sein.
Es folgt nun wie in der röm. Messe das Gloria, Ueber dessen Form ist in
der KO (S. 20) keine weitere Vorschrift gegeben, als daß es „vom Priester an—
gefangen, aber von der Gemeinde vollendet“ werden solle. Anscheinend ist das
grosie Gloria der kath. Messe höchstens an hohen Festen und wo ein geübter
Kirchenchor vorhanden war, dann aber natürlich auf lateinisch gesungen worden.
Für gewöhnlich und auf den Dörfern immer wurde es so ausgeführt, daß der
Priester anhob: Gloria in excelsis Deo oder: „Ehr und Pries sy unsem Gade
in der Höge““ (Walther S. 119), worauf Chor und Gemeinde respondierten mit
der von Nic. Decius verfasiten, schon früh allgemein gebräuchlich gewordenen
schönen Umdichtung des lateinischen Tertes:
Allein Gedt in der hög syehr
und dank sor sine gnade /
Darüm dat nun und fort nich mehr
uns rören mag neen schade.
Ein wolgefall Godt an uns hat,
nu is groot Freede ahn underlath
all Feid hefft nun ein ende ).
Lied der Gemeinde Vorausgeschickt“ worden sei. Er bhat das „vor'“ der KO als „vor“
gedeutet, während es nach Ord. svel ejus loco) als „für“ — anstatt zu deuten ist.
i0) Hier zitiere ich zum erstenmal ein für die Erkenntnis der während der Herrschaft der
platidentschen Kirchensprache in unserm Lande üblichen liturgischen Formen ungemein wichtiges
Werk. Es ist: „Manuale ecclesiasticum edder Kerclen Hand-Bockschen“, verfasit von dem
aus Hamburg gebürtigen P. an St. Marien zu Flensburg (1627 - 10101 Mag. Pau!
Walther (Hamborg 1055). Dies jetzt außerordentlich seltene Werk ist, soviel ich sehe, die
erste in Shuenistandene Agende, nicht offiziell eingeführt, aber jedenfalls allgemein anerkaunt
und gebraucht. Wie sehr sie anerkannt war, ergibt sich daraus, daß Adam Oltearius,
als er insolge des gewaltigen Fortschritts der hochdentshhen Kirchensprache sich genötigt sah,
eine neue Agende hberauszugeben, in seinem „Schhestwigischem und Holsteini«
schem Kirchenbusch“ (sSchleswign Holwein, 1005) fast nichts anderes als eine boch—
dentsche Uebersetzung des plattdeutschen Kerckenbökschens gegeben hat. Da Walther sich auf
beste Tradition stützt und Olearius wieder auf Waltber, haben wir in diesen beiden Büchern
die wahrend unserer ganzen Periode geltende liturgischhe Tradition vor Augen. Das „Kirchen—
buch“ zitiere ich weiterbin als „Olear“. Auch diese Agende ist nicht als zwingende Vorichrift
von den Kirchenregimenten autoristert worden, sondern eine (allerdings von oben her ge—
wünschte und stillstöweigend anerkannte) Privatarbeit des Verfassers, ist aber auch als solche
bis zum Erlaß der Adlerschen Agende (1797) allgemein in SH gebraucht worden. Veide
Bücher sind nicht nur für die Hand der Prediger, sondern auch für den Gebrauch der Laien
in Kirche und Haus bestimmte gewesen, enthalten desbalb auch Sammlungen der üblichen
Kirchengesange, den Lutherschen Katechismus, Gebete für alle Stände und Anliegen u. dal. —
Eine dänische Uebersetzung der beiden Bücher hat es nicht gegeben. Die nordschleswigschen
Kirchen mit dänischer Kirchensprache werden sich von vornherein an die trefflichen dänischen
Agenden des Königreichs (Petrus Palladius, Alterbogen, 1574 und „Danmarks og Morgis
Kirke-Ritual“, 1085) gehalten haben.
17) Anscheinend wuͤrde bei der liturgischen Verwendung des Liedes nur der erste Vers des
Liedes gesungen. Dies ist bekanntlich eine original niederdeutsche Dichtung und zeichnet sich als
solche vor den oft recht holperig und unschön aus dem Hochdeutschen ins Plattdeutsche über—
tragenen Liedern, die wir bei Walther finden, vorteilhaft aus.