Full text: 1517 - 1721 (2)

Kirchensprache 
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Von einer bewußten Absicht, die plattdänische Volkssprache oder gar das dä— 
nische Volkstum auszurotten, kann m. E. in der alten Zeit keine Rede sein. Der— 
artige Tendenzen haben damals den Regierenden völlig fern gelegen; der grau— 
same Gedanke, jemanden die Muttersprache rauben zu wollen, konnte erst in spä— 
teren, nationalistisch überhitzten Jahrhunderten aufkommen. Eher darf man sagen, 
daß die Regierenden das Volkstum nicht gerade hoch achteten; das galt aber nicht 
nur von ihnen, sondern auch von den Regierten selber'“). Als es sich nach der 
Reformation darum handelte, statt der bisherigen lateinischen Kirchensprache für 
die verschiedenen Gemeinden eine neue festzusetzen, wählte man für die in so enger 
Berührung und teilweise im Gemisch mit Friesen und Niedersachsen lebenden 
plattdänischen Gemeinden Mittelschleswigs das Plattdeutsche einfach deshalb, weil 
dies den Leuten näher lag als das Schriftdänisch und schon sowieso die mehr oder 
weniger allgemein bekannte Kultur- und Verkehrssprache war. Man glaubte 
damit den Leuten eine Wohltat zu tun, und diese selber haben es als solche an— 
erkannt; nur in den nördlichsten Gemeinden, welche an solche mit dänischer Kir— 
chensprache grenzten, mag sich eine heimliche Sehnsucht nach dieser entwickelt 
haben “). 
Von einer brutalen Vergewaltigung der dänischen Volkssprache darf deshalb, 
soviel ich sehe, was jedenfalls die Kierschenn sprache anbelangt, nirgends geredet 
werden. Ich für meine Person bin sogar geneigt anzunehmen, daß von einer be— 
wusiten Wahl zwischen Schriftdänisch und Plattdeutsch in den bezeichneten Ge— 
meinden überhaupt keine Rede gewesen, daß vielmehr schon in katholischer Zeit in 
Mittelschleswig plattdeutsch gepredigt worden ist und damit schon eine gewisse 
Tradition bestanden hat. 
Viel wichtiger für unser Land als die Festsetzung der Kirchensprache in Mittel— 
schleswig ist doch die im Laufe des 17. Jahrhunderts sich vollziehende Um- 
wandlung der niederdeutschen in die hochdeutsche Kir— 
ch enssperache gewesen. Das war eine Veränderung, welche nicht allein unser 
Land, sondern alle niedersächsischen Länder, Hannover, Braunschweig, Mecklen— 
burg, Pommern usw., betraf und insofern in die allgemeine deutsche Kirchen. 
geschichte hineingehört. In unserm Lande begann die Umwandlung schon früh am 
0) Beweis dafür ist das Verhalten der eingeborenen Bürger der nordschleswigschen Städte. 
Wäre ihnen an der Erhaltung ihres dänischen Volkstums wirklich etwas gelegen gewesen, so 
waͤre es ihnen als freien Stadtbürgern doch nicht allzu schwer geworden, die tatsächlich stief— 
mütterliche Behandlung des Dänischen zu beseitigen. Aber davon verspüren wir während 
aunserer Periode nichts. Die besitzenden und besser gebildeten Bürger ließen ihre Arbeiter und 
Dienstboten in die dänischen Nebengottesdienste gehen, sie selber zogen es vor, den vornehmeren 
deunschen Hauptgottesdienst zu besuchen, übten sich, wenn auch vielfach mit keinem anderen 
Erfolg als dem einer merkwürdigen deutschdänischen Mischsrrache, im Deutschen und sandten 
(uicht mit Widerwillen, sondern) mit Freuden ihre Kinder in die fast rein deutschen Schulen. 
Die nächste oder übernächste Generation hatte dann schon auch deutsche Haussorache. So ist 
es wahrlich nicht eine absichtliche Unterdrückung des Dänentums, nicht ein Wüten der Re— 
gierenden gegen die dänische Volkssprache gewesen, was die nordschleswigschen Städte sich 
immer weiter verdeutschen lies, sondern das natürliche Schwergewicht der deutschen Sprache 
und die Gleichgültigkeit und Michtachtung, mit der das dänische Bürgertum seiner Nationalität 
und Muttersprache gegenüberstand. Als Schutzwall um das bedrohte Dänentum Nordschleswigs 
hat einzig die dänische Kirchen- und Schulsprache gewirkt: die hat die Bauern im dänischen 
Kulturkreis erhalten. Wäre sie nicht gewesen, so hätte die dänisch-nationale „Erweckung Süd— 
jütlands“ im 10. Jahrhundert wohl überhaupt kein dänisches Volkstum mehr vorgefunden. 
uu) Man kam dieser Sehnsucht früh entgegen, indem man abwechselnd deutsch und 
dänisch predigen ließ, so in Uberg, Süderlügum, Karlum, Ladelund, Medelby, Bau.
	        
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