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B. 2, K. 4, 8 30. Die Predigt
Predigtart betrifft, so unterscheidet sie sich von der seines Zeitgenossen Egardus
dadurch, daß Alardus nach „moderner“ Methode predigt, d. h. die biblische Wahr—
heit durch eine zuweilen blendende Fülle von Gleichnissen und Zitaten aus aske—
—I
ucht“). Dabei verliert er sich doch nie in nichtige Geistreicheleien, sondern immer
steht einzig das seligmachende Evangelium im Mittelpunkt. Der Fleiß, den dieser
Mann auf seine Predigten verwandt hat, ist bewunderns- und nachahmenswert.
Noch heute lesenswert scheinen mir besonders seine fünf Sammlungen von Pre—
digten über die „fürnehmsten Lehr- und Trostreichen Nahmen unseres Heilandes“
Erstes, zweites, drittes, viertes, fünftes „Güldenes ABC). Hier ist er frei vom
Perikopenzwang“), er nimmt einzelne Sprüche aus dem Alten und dem Neuen
Testament als Text und beleuchtet die darin vorkommenden Namen (GBezeich—-
nungen) Jesu so eingehend, so geist- und gedankenreich, daß man staunen muß. Es
wäre zu wünschen, daß dieser große Prediger unseres Landes einmal monographisch
gewürdigt würde “).
Als der größte unter allen Predigern unseres Landes im Zeitalter der Ortho—
dorxie erscheint mir doch immer wieder Stephan Klotz (vgl. oben S. 181).
Es ist ein billiges Vergnügen, mit I-.M IV, 7 sich über die uns heute vielfach
als geschmacklos erscheinenden Titel seiner Leichpredigten zu amüsieren. Derartige
Bilder entsprachen dem Geschmack der Zeit, und indem Klotz auch dergleichen ge—
drauchte, wurde er ein Prediger, der zeitgemäß predigte und eben deshalb seine
Zeitgenossen zu fassen und zu fesseln wußte. Wer aber auch nur eine von seinen
Predigten “) wirklich gelesen hat, weiß, daß seine Bedeutung weit über die eines
Modepredigers hinausragt. Von einem geistreichen Spielen mit Aeußerlichkeiten
ist er ebensoweit entfernt wie Alardus. In der Tiefe und Wucht der Gedanken
übertrifft er ihn. Wenn einer es verstanden hat, das reiche Gedankengebäude des
orthodoxen Luthertums auszuschöpfen und lebendig zu machen, so ist es Klotz ge⸗
wesen. Ihn auch als Prediger einmal monographisch zu würdigen, wäre gewiß der
Mühe wert.
Wirklich hervorragende, ihre Zeit überdauernde Prediger sind selten. Daß es in
dem allgemein als dunkel und unfruchtbar verschrieenen 17. Jahrhundert auch in
unserm kleinen Lande solche gegeben hat, wollen wir nicht vergessen “).
13) Seine Quellen gibt er immer sorgfältig am Rande an. Wir sehen, daß er besonders
Augustin und Bernhard ausgeschöpft hat, doch zitiert er auch eine unendliche Menge anderer
uns fast unbekannt gewordener Schriftsteller. Alle Zitate werden sorgfältig verdeutscht.
u) Als gewissenhafter Prediger hat er diese Reden nicht am Sonntag, an dem nur über
die Perikopen gepredigt werden durfte, sondern am Freitag seinen Krempern vorgetragen.
15) Ein bedeutender Prediger war auch Lampertus Alardus („Fest-Postill aus ...
den Episteln“. Frankfurt 1049, ca. 1800 Quartseiten!). Aber im Gegensatz gegen seinen tief⸗
frommen Vater hat er seine reiche Kraft in weltlicher Wissenschaft erschöpft (vgl. Moller J,
74- 10), war eitel und herrschsüchtig. Von seiner Unbeherrschtheit habe ic Bu Me9, 380 ff.
erzäblt.
120) Wie z. B. seine prächtige predigtartige Abhandlung über Wesen und Bedeutung des
H. Abendmahls, die er der S. 459 genannten merkwürdigen Predigtsammlung Kilianis als
Vorwort mitgegeben hat.
27) Vergessen wollen wir auch nicht, daß der große Prediger Christian Scriver,
wenn er auch nicht in unserm Lande gewirkt hat, doch ein s.eh. Landsmann gewesen ist. (geb.
2. Jan. 1029 zu Rendsburg, F 5. April 1093 zu Quedlinburg, vgl. Moller J, 614 - 019).
— Wie der am Ende unserer Periode eindringende Pietismus die Predigt in unserm Lande
bdeeinflußt hat, kann erst später gewürdigt werden.