Full text: 1517 - 1721 (2)

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VB. 2, K. 4, 8 37. Musik. Teil des Gottesdienstes 
Lehrer der Vorrat an wirklich gesungenen Liedern größer geworden, so daß wir um 
die Mitte des 17. Jahrhunderts auch auf dem platten Lande einen starken Fort— 
schritt in der Liederauswahl konstatieren können )). 
Wenn wir nun nach der Beteiligung der Gemeinde fragen, so 
müssen wir leider feststellen, daß diese namentlich in manchen Landgemeinden sehr 
zu wünschen übrig ließ. So berichtet Fabr. von Böel: „Das Frauenvolk singt 
gar nicht in der Kirche, wie auch der kleinste Teil der Mannspersonen.“ Aehnlich 
von Sieseby. Ebenso heißt es von Norby G(Rieseby): 
„Das Mitsingen der Psalmen bleibet hie und anderswo bey Männern und Weibern 
fast gar nach, unangesehen Pastor fleißig dazu ermahnet. Komt daher, daß sie nicht in die 
Schule gegangen, auch daß sie in so vielen Jahren, da sie zur Kirche gegangen, niemals auf 
die Psalmen ihre Gedanken gerichtet haben. Ist ja unverantwortlich. Müsite dem nach mit 
ermahnungen fleißig angehalten werden, daß doch die Leute das mitsingen Gott zum Ehren und 
ihnen selbst zum besten gewöhnet werden.“ 
Um das Mitsingen zu befördern, wurde fir Struxdorf verordnet, daß 
der Küster während des Singens im Gange auf und nieder gehen solle (Fabr.); 
in Rabenkirchen, wo gleichfalls die „Weibesbilder“ trotz der Ermah— 
nungen des Pastors wie des Herrn Superintendenten den Mund nicht auftaten, 
erbot sich 1631 der Pastor selber, in der Kirche auf und nieder zu gehen und 
fleisig darauf zu achten. Und in der Tat fand sich schon 1033 bei der Visitation 
eine gewisse Besserung (Fabr.). 
Doch gab es auch Landgemeinden, wo um diese Zeit eine allgemeine Beteiligung 
am Kirchengesang bereits erreicht war. So heißt es bei Fabr. 1039: 
Man weiß exempla in J. F. G. Kirchen, da die gantze Gemeinden, Jung und Alt, Mann 
und Weib fleistig mitsingen; ja, wenn das Chor den einen Vers im Psalm gesungen, sie als— 
denn den andern Wers allein singen, also daß das Chor inmittelst gar stillschweigt. 
Offenbar sind in diesem Punkte — und heute ist es ja nicht viel anders — 
drei Dinge entscheidend gewesen: 1. die Bemühungen der Kirchendiener, 2. der 
allgemeine Zustand der geistigen Kultur, 3. der Stand des religiösen Lebens der 
Gemeinde. Wo es an allem fehlte — wie in manchen Gutsgemeinden —, be— 
währte sich der alte Satz: Holsatia non cantat; wo es in diesen Beziehungen 
gut stand, aber auch nur da, dürfen wir uns im 17. Jahrhundert einen schönen 
vollen Gemeindegesang denken. 
Je schwerer vielfach das Kirchenvolk zum Singen zu bringen war, desto nötiger 
war die Mitwirkung eines Sängerchor s. Solche ist auch in der vorgeschrie— 
benen Gottesdienstordnung vorausgesetzt. 
Der Sängerchor hatte im Gottesdienst eine doppelte Aufgabe: 1. die Aus— 
führung der Responsorien, 2. die Leitung des Gemeindegesangs. In den Städten, 
— 
der Marter alle; Christ fohr vp tho Hemmel; Kum, hillige Geist, Here Godt; Nu bidde wy 
den hilligen Geist; Godt de Vader wahn vns by! Wy glöven all an einen Godt; Jesus 
Christus vnse Heilandt; Christe, du Lamm Gades (Aßnus Dei); Vorlehne vns frede gnedich— 
lick (Da pacem Domine); Midden wy ym leuen sindt, usw. 
) Bezeichnend sind in dieser Beziehung die Lieder, welche der einstige Besitzer meines 
Eremplars von Walthers Manuale den von Walther für jeden Sountag genannten Ge— 
sängen handschriftlich hinzugefügt hat. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um den 
Postor von Mordhackstedt. Aus dessen Eintragungen ergibt sich, daß ein grosier Teil 
der von Walther dargebotenen Lieder in dieser einfachen Geestgemeinde wirklich gesungen 
wurde. Ob solcher Fortschritt durch die um 1050 einsetzende Verhochdeutschung des Gottes— 
dienstes gehemmt worden ist, läßt sich schwer feststellen.
	        
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