Die Taufe
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Nach diesem Formular Luthers ist während unserer
ganzen Periodeinganz SHdie Taufe gehalten worden,
sollte jedenfalls einzig danach gehalten werden. Wie strenge von den kirchlichen
Oberen auf Einheit und Gleichheit in der Zeremonie der Taufe gehalten wurde,
ergibt sich aus folgendem: In Münsterdorf und Süderdithmarschen bemerkte man
1082, daß etliche Prediger sich eine Eigenmächtigkeit erlaubten, indem sie im
„Sintflutgebet“ hinter den Worten: „daß durch diese heilsame Sündfluth an
hm (dem Kinde) ersauffe und untergehe, was ihm von Adam angeboren ist“ die
Worte: „und er selbst darzugetanhat“ ausließen, wahrscheinlich weil
sie sich nicht vorstellen konnten, wie ein eben geborenes Kind auch aktiv könne ge—
fündigt haben. Auf Befehl des GS (v. Stöcken) mußten die Pröpste solches
ernstlich verbieten, und der Süderdithmarscher bemerkt sogar, der GS habe ge—
sagt: Wenn man den ersten Anfänger dieser Auslassung erfahren könnte, müsite
derselbe ernstlich angesehen werden?).
Schon aus diesem strengen Festhalten an der Taufform Luthers ergibt
sich, dast die von ihm besonders geschätzten und deshalb als Merkmal echt luthe—
rischer Rechtgläubigkeit angesehenen beiden Erorzismen während unserer
ganzen Periode in SHeobligatorische Stücke des Taufvollzuges geblieben sind ).
Obligatorisch war, daß die Kinder in der Kirche getauft wurden — das
Unternehmen der adeligen Herren, ihre und „ihrer Diener“ Kinder im Hause
taufen zu lassen, wurde von den GGSéS getadelt (Fabr.) — und zwar inner⸗-
halbdes Hauptgottesdienstes. Die Stellung der Taufe innerhalb
der „Messe“ war allerdings lokal verschieden: hier vor, dort nach der Predigt; an
manchen Orten machte man zwischen „echten“ und „unechten““ Kindern den Unter—
schied, daß die ersteren vor, die anderen nach der Predigt getauft wurden. In
diesem Punkte wurde von den GGSS nicht auf Einheitlichkeit gedrungen, sie
verlangten aber, daß die Taufe innerhalb des Gottesdienstes und nicht erst nach
dem Schlußsegen stattfände: die Gemeinde sollte durch das Miterleben einer
Kindertaufe an den Segen der eigenen Taufe erinnert werden (Fabr.). Vor,
während (beim Hingehen zum Taufstein) und nach der Taufe scheinen vielfach
) „Der ersie Anfänger““ ist vermutlich Paul Walther, der schon in seinem Kerckenhand—
bökjchen die betr. Worte ausgelassen hat. Auch Kaftan in seinem Liturg. Handbuch hat die
Worte stillschweigend ausgelassen.
) Bekanntlich wurde die Teufelsbeschwörung schon in der orthodoxen Periode vielfach,
aamentlich von sektierischer und kryptokalvinistischer Seite angesfochten. Im Königreich hatte
JIvar Bartholinus schon 1500 den Exorcismus theologisch bekämpft, war aber dißzipliniert
worden (vergl. Dän. Bibl. INV, S. 5 ff.), und König Christian IV. hatte seine ursprüngliche
Idee, diesen Brauch abzuschaffen, nicht durchsetzen können (vgl. oben S. 173). In unserm
dande hatten Herzog Johann Adolf und feine kryptokalvinistischen Berater sich in gleichem
Sinne bemüht (vgl. oben S. 103). Und 1037 fand man (Fabr.), daß in Schönwalde die
Taufe ohne Erorzismus verrichtet wurde, was auf einen dort vor 20 Jahren tätig gewesenen
Prädikanten zurückgeführt ward. Aber nach dem Siege des Luthertums über den höfischen
Kryptokalvinismus versteifte man sich in Gottorf erst recht auf den Erorzismus, und 1005
wurde der Pastor zu Sahms Gottfried Friedeborn (vgl. oben S. 351) wegen Auslassung
desselben angefaßt. Noch 1735 mandierte Herzog Carl Friedrich, daß der Erorzismus nicht
anterlassen und, wo er abgeschafft, wieder hergestellt werden solle. Erst 1743 erfolgte nach
sorgfältiger Vorbereitung im Königlichen Teile die Abschaffung des mittlerweile allzu an—
stößig gewordenen Brauchs. Vgl. den lehrreichen Bericht in der Dän. Bibl. VI, S. 1-128.
Es war der Pietismus, der auch in diesem Stücke das Altluthertum überwand.