Die Beichte
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liegt das eigentliche Sakramentale dieser Handlung, ihre heilsnotwendige Be—
deutung. In der Absolution oder ihrem Gegenstück, der „Behaltun'“g“ der
Sünden, wirkte sich das auch nach lutherischer Lehre der „Kirche“ und als ihrem
Amtswalter dem Priester oder Kirchherren (KO) übertragene hochwichtige Amt
der Schlüssel aus, welches seinerseits sich nach lutherischer Auffassung auf
deutliche Aussagen der Heiligen Schrift (Matth. 160, 19; 18, 18 und Joh. 20,
22f.) gründet und als ein Teil des (geistlichen) Kirchenregiments angesehen
wurde.
Wieviel Luther persönlich von der priesterlichen Absolution als der feierlich und
ausdrücklich dem heilsverlangenden Individuum zugesprochenen Sündenvergebung
gehalten hat, ist bekannt. Wie notwendig und heilsam er diese heilige Handlung
auch für das Kirchenvolk gehalten hat, wird dadurch erwiesen, daß er seinem
Katechismus ein eigenes „Hauptstück“ (das fünfte: De Confessione oder „Wie
man die Einfältigen soll lehren beichten““, dem als sechstes das Lehrstück vom
Abendmahl folgte) über sie eingefügt hat.
Daß auch die Väter unserer KO dieser Handlung einen ungemeinen Wert bei—
gelegt haben, zeigt sich sowohl in ihrer Definition der Absolution (sie stellt,
wenn sie im Glauben empfangen wird, das in der Taufe versiegelte Bündnis
zwischen Gott und dem Menschen wieder her) als auch in ihren sorgfäl—
igen Vorschriften für sie (KO S. 43- 460).
Allererst wird die rechte evangelische Art der Beichte eingeprägt. Es
kann vom Sünder nicht verlangt werden, daß er „alle und etliche böse Stücke
seines Lebens erzähle““, wie das im Bußsakrament bisher erfordert worden war.
Denn die „Ohrenbeichte?) sollen wir nicht nötig machen“, d. h. wir
sollen sie den Leuten nicht als Zwang auferlegen, sondern sie „nützlich“, d. h. zur
Erleichterung eines beschwerten Gewissens gebrauchen. Und dieser nützliche und
gute Gebrauch der Beichte besteht darin, daß wir uns entweder im allgemeinen
als Sünder bekennen oder aber etliche Missetaten oder was sonst unser Gewissen
besonders bedrückt, dem Beichtvater mitteilen. Bei solchen besonderen Bekennt—
nissen soll der Priester vorsichtig und weise verfahren und je nach Gelegenheit
der Sünde die richtige Seelenarzenei aus dem Worte Gottes hervorholen. Wenn
daun der Beichtvater befindet, daß der Sünder nicht im Banne steht oder als
Gebannter noch nicht wieder mit der ecclesia, der allgemeinen Christenheit ver—
söhnt ist, soll er ihn „durch Auflegen der Hände“““) absolvieren. So wird sehr
schön die seelsorgerliche Bedeutung der Absolution hervorgehoben.
Ueber die Form der Handlundg wird in der KO nichts gesagt. Wir
dürfen nicht zweifeln, daß es damit überall in unserm Lande nach der Anweisung
des lutherischen Katechismus gehalten wurde, nämlich so: Der Beichtende kniete
vor dem im Beichtstuhl bzw. der Sakristei sitzenden Priester nieder und sprach:
„Werdige leve Here, ick bidde juw da gy willen myne Bicht hören/ vnde my
1n) Dies Wort wird hier nicht im üblen Sinne gebraucht. Als Confessio auricularis
wird die Beichte auch 1587 noch in einem amtlichen Schriftstück (Mon. ined. IV, 3374) be⸗
jeichnet. Geheime und einzelne Beichte sollte ja auch die lutherische sein und bleiben. Als un—
evangelisch wurde bei der katholischen Beichtpraris lediglich der Zwang zur Aufzählung ein—
zelner Sünden und die Auferlegung besonderer Bußwerke (Satisfactio) getadelt.
21) Also die Handauflegung wird eigens geboten. Sie war das äußere Zeichen,
welches die Auffassung der Absolution als eines Sakraments ermöglichte.
Feddersen, Kirchengeschichte, B. II.