Full text: 1517 - 1721 (2)

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B. 2, K. 4, 8 38. Priesterliche Verrichtungen 
Vorgewinge myner Sünde sprecken / vmme Gades willen.“ Auf die Aufforderung 
des Beichtvaters: „Ja, segge her!“ bekannte der Beichtende entweder irgend— 
welche besonderen Sünden oder sprach die allgemeine Beichtformel. Darauf sprach 
der Beichtvater: „Godt sy dy gnädich / vnde stercke dynen Gloven Amen. — 
Gelövestu ock, dat myne vorgewinge Gades vorgevinge sy!“ Auf das „Ja, leve 
Here“ des Beichtenden sprach der Priester: „Dy geschehe alse du gelövest 
vnde Ick vth befehle unses HEREM JEsu Christi vorgeve dy dyne Sünde im 
Namen des Waders / vnde des Söhns (vnde des hilligen Geistes / Amen. Gha 
hen im frede *).“ 
Nach den allgemeinen Anordnungen über die Beichte fährt die KO fort: 
„Darna wo sick de Sünder ock berichten laten (mit dem Sakra— 
ment versehen lassen) will...“ Hier ist das „a uch“ (quoque, Ord.) be— 
sonders zu beachten. Aus diesem Wörtlein geht nämlich deutlich hervor, daß die 
Beichte für die Väter unserer KO doch nicht bloß, wie es schon in katholischer 
Zeit vielfach üblich geworden war und später bei uns ganz allgemein geworden 
ist, als Vorbereitung zum Abendmahlsempfang in Betracht kommt, sondern noch 
eine selbständige Bedeutundg behalten hat. Es konnte also auch bei 
uns wie in andern Landeskirchen“) ein von Gewissensnöten Beschwerter jeder— 
zeit zum Pfarrer gehen und ihn um Absolution bitten. Ob und in welchem Maße 
das bei uns nach der Reformation geschehen ist, darüber sind mir Zeugnisse nicht 
bekannt geworden. 
Wenn also „der Sünder“ auch zum Abendmahle gehen wollte, so sollte der 
Priester ihn fleißig (diligenter, Ord.) nach seinem Verständnis vom Abend— 
mahl, dessen Wesen und Bedeutung befragen, auch erkunden, ob er in der Schule 
Christi so viel gelernt habe, daß er die Worte des Katechismus — gemeint ist 
doch wohl der ganze Katechismus (ohne Erklärung), nicht bloß die Einsetzungs 
worte — aufsagen könne. Wo nicht, soll der Beichtende als einer, der kein hoch 
zeitlich Kleid trage (1), solange vom Abendmahl ausgeschlossen bleiben, bis er 
„sich bessere und sein Ding besser lerne““. Doch soll der Ausschluß dem Sünder 
nicht öffentlich vor dem Altar und in Anwesenheit vieler Leute, sondern, um 
irgend welche „Nachrede“ (infamia) zu vermeiden, nur heimlich in der Beichte 
angezeigt werden ). 
Die Einführung dieses von Luther selbst seit 1523 geforderten „Beicht- 
examens“ ist zwar bei der Rudität des „groben Volkes“ verständlich, hat 
aber doch vom Standpunkte des wahren Christentums aus nicht unerhebliche Be— 
denken. Nicht nur, daß in einem so heiligen Akt, wie die Beichte als die Be— 
gegnung des sündigen Menschen mit dem richtenden und gnädigen Gott sein 
sollte, sich störend eine didaktische Maßregel mischte — das entsprach ja so ganz 
der uns heute unmöglichen Auffassung der Reformatoren von der pädagogischen 
Bedeutung des Gottesdienstes — nicht nur, daß das „hochzeitliche Kleid“ grob 
mißverstanden war und von der Jesu gefälligen Einfalt und Innigkeit der reli— 
2) Nach der plattdeutschen Form bei Walther. 
iu) Vgl. Rietschel 1—, 347 f. 
19) Ob im Falle eines ungenügenden Bestehens solchen Eramens auch die Absolution ver— 
weigert werden sollte, ist nicht erkennbar. Man darf doch vielleicht annehmen, daß einsichtige 
und barmherzige Priester solchen, denen die Vergebung ihrer Sünden wirklich Herzensbegehren 
war, den Trost der Absolution um solches intellektuellen Mangels nicht versagt haben werden.
	        
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