B. 2, K. 4, 8 38. Priesterliche Verrichtungen
Ebenso wie bei der Taufe hat unsere KO für diese Handlung eine be—
stimmte Form mit Gesetzeskraft vorgeschrieben (S. 50). Ausdrücklich wird
verordnet, daß sie nach alter Landessitte öffentlich im „Veisein der Leute“ lin
facie ecclesiae, Ord.) von den Kirchendienern und nicht von einem Laien —
das setzt unsere KO den Worten der Ord. ausdrücklich hinzu — vollzogen werden
soll, und zwar nach der Weise, wie im Kleinen Katechismus Luthers geschrieben
steht.
Die gesetzlich vorgeschriebene Form der Trauung für unser Land ist also die in
kuthers „Zgraubüchlein für die einfältigen Pfarrherru“,
wie es dem Kleinen Katechismus von 1529 als Anhang beigefügt war“), ge—
gebene, und die Folgezeit zeigt, daß es während unserer ganzen Periode dabei ge—
blieben ist Immerhin finden wir schon bei Walther Formula Copulationis)
und entsprechend bei Olear. gewisse Abweichungen von Luther.
Vor allem ist die von Luther angeordnete Trennung zwischen einem vor der
Kirche geschehenen Akt (Traufragen, Ringwechsel und die eigentliche „Zu—
sammensprechung“') und der vor dem Altar geschehenden Schriftverlesung
and Einsegnung bei Walther nicht zu finden: vielmehr vollzieht sich die ganze
Handlung vor dem Altar. Wenn also die von Luther der katholischen Form ent—
nommene Zweiteilung auch bei uns ursprünglich etwa bestanden hat, ist sie jeden—
falls im Laufe der Zeit abgekommen. Die Schriftlesungen sind bei Walther die
gleichen wie bei Luther, nur Ephes. 5, 22-24 ist ausgelassen. Den Abschlusi
bildet abweichend von Luther ein Friedenswunsch: „De Frede des HEREM sy
mit juw beyden. Amen! Amen!“ (Bei Olear. der Aaron. Segen.)
Wie strenge die kirchliche Obrigkeit auf das Festhalten an der Lutherschen Form
hielt, zeigt folgendes: Olear. hatte bei der Schriftlesung 1. Mos. 3, 10 f. hinter
den Worten „und dein Wille soll deinem Manne unterworfen sein““, ob mit Ab—
sicht oder nur aus Versehen, die Worte „und er solldein Herr sein“
ausgelassen *'a). Auf Befehl des Kön. GS (von Stöcken) mußten die Pröpste von
Münsterdorf und Meldorf (und wohl auch die anderen) ihren Pastoren ernstlich
einschärfen, diese Worte in ihre Exemplare des Kirchenbuchs handschriftlich ein—
zutragen und hinfort nicht auszulassen, weil es Worte der Schrift seien (Const.
VI, 104; Bu 1, 2556).
5. Die Einsegnung der Sechswöchnerinnen.
Die in der römischen Kirche als pia et laudabilis consuetudo erhaltene
Benedictio puerperarum ist in manchen Reformationskirchen als ein zu fal—
schen Vorstellungen (Notwendigkeit einer Reinigung der Gebärerin) und Miß—
bräuchen führender Akt abgeschafft worden'). In unserer KO ist sie weder im
positiven noch im negativen Sinne erwähnt, ist aber in SHeim allgemeinen bei⸗
behalten worden. Daß sie in den meisten Gemeinden üblich war, geht aus fol—
gender Bemerkung Fabr. 1039 hervor:
ꝛo) Vgl. dasselbe in E. A. 23, 207 ff. W. A. Bd. 30, Abt. 3, S. 74 ff.
202) Nach Höck, Ritualschatz, S. 67, soll die Frau des Druckers Holwein die Worte heim—-
lich aus dem Satz herausgenommen haben.
21) Rietschel II S. 133.