Armenwesen
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hafter Mann als „Hauswirt““) bestellt werde, der mit seiner Frau und dem
nötigen Gesinde für das Wohl der armen und kranken Insassen Sorge tragen soll.
Der Unterhalt des Personals soll aus den Gütern des Hauses bestritten werden,
doch also, daß in dieser Beziehung keine Verschwendung getrieben werde, sondern
die Einkünfte vor allem den Armen zugute kommen. Der Hauswirt darf sich ein
Gefährt halten, um „nach alter Gewohnheit“ auf den Dörfern des zur Stadt
gehörigen Amtes für seine Armen Almosen — gedacht ist wohl in erster Linie an
Naturalien — zu sammeln. Die Vorsteher sollen mit Rat des Kirchherrn und
der Obrigkeit nur solche Arme oder Sieche aufnehmen, die es wirklich nötig haben:
sie sollen „nierin nicht ihr Gefallen oder Gunst, sondern das Bedürfnis ansehen“.
Dem Kirchherrn wird auferlegt, wenigstens ein oder zweimal in der Woche die
Hospitaliten zu besuchen und darauf zu sehen, daß ihnen ihr Recht werde. Auch
soll er die Kranken seelsorgerlich versorgen (vgl. oben S. 484 f.).
Auch für die medizinische Aufgabe der Hospitale werden Vorschriften gegeben.
Für ansteckende Krankheiten soll es eigene Kammern und Betten geben. Wo eine
Heilung der eingebrachten Kranken möglich ist, wie bei der „Französischen“ Krank⸗
heit (der Syphilis)“), sollen die Aerzte der Stadt herangezogen und aus den
Mitteln des Hauses entlohnt werden.
Dem Bischof (von Schleswig) wird die Aufsicht über das Armenwesen besonders
ans Herz gelegt und ihm die Aufgabe gestellt, in allen Städten seines Stifts in
Gemeinschaft mit Propst, Predigern, Bürgermeister und Rat eine „Gemeine
Kiste“ anzurichten, d. h. eine allgemeine Armenkasse, in welche die Erträge aller
bisherigen milden Stiftungen gesammelt werden sollen. Aus dieser Bestimmung
wird es erwachsen sein, daß später die GGS:S die obersten staatlichen Aufseher
auch über das Armenwesen waren.
Wir sehen, es sind sorgfältige und gute Weisungen, welche die KO für das
Armenwesen gibt und' wir dürfen wohl annehmen, daß sie im allgemeinen
erfüllt worden sind. Auch die Folgezeit gibt Kunde von manchen, oft reichen
testamentarischen Stiftungen zugunsten der „Gasthäuser“, so daß die Mahnung
der KO, nicht um des eigenen Seelenheiles willen, sondern Gott und dem Herrn
Christo zu Ehren für die Armen zu spenden, doch nicht ohne Erfolg gewesen ist.
Einige der neugeordneten“) „Gasthäuser“ erfreuten sich besonderer Gunst der
Landesherren und waren im Besitz bedeutender Einkünfte, so in Schleswig, Husum,
Hadersleben, Kiel und Flensburg'). Daraus, daß die Landesherren mehrfach die
Einkünfte und auch (so in Schleswig, Flensburg und Kiel) die Gebäude der auf—
gehobenen Klöster für die Gasthäuser zur Verfügung stellten, wurden diese ge—
wissermaßen der evangelische Ersatz für die katholischen Klöster; daher sie noch
vielfach im Volksmunde als „Klöster“ bezeichnet werden.
Zu bemerken ist, daß die Vorschriften der KO über Hospitale nur für. die
Städte gelten. Die Armenpflege auf dem Lande ist (abgesehen von der allgemeinen
Vorschrift Ko S. 80) in unserer Periode noch nicht gesetzlich geordnet worden.
) Oeconomus (Ord. lat.). Daher bis in die Neuzeit die Bezeichnung „Okonom“ für
die Verwalter der Armenhäuser.
3) Diese Krankheit hatte sich damals weit verbreitet, der früher sehr häufig auftretende
Aussatz, für den man im Mittelalter eigene Häuser (die St. Jürgenstifte) geschaffen hatte, war
zur Zeit der Reformation so qut wie erloschen.
2) So würde ich lieber als mit Lau S. 492 „der neu gestifteten“ sagen, da, wie gesagt, in
den meisten Fällen solche „Hospitale“ schon im Mittelalter bestanden.
5) Einzelheiten s. bei Lau S. 4192 - 95.