Erziehung des Volkes durch die Obrigkeit 517
1623 ein in väterlichem Tone gehaltenes Schreiben an seine Untertanen, in
dem er sie unter Androhung göttlicher und weltlicher Strafen zur Besserung ihres
Lebens und Wesens ermahnte. Wenn diese ungemein charakteristische Verord⸗
nung?) späterhin gänzlich vergessen werden konnte, so geschah das, weil sie durch
eine noch wirksamere, weil von beiden Landesfürsten gemeinsam erlassene, ersetzt
und überboten wurde. Es ist die Gem. Verordnung vom 14. Dez.
1623 „wegen der Gottesfurcht und etlicher politischen Punkte“ (C. R. H. l,
S. 243ff.; Gem. Verff. S. 305ff.). Sie betrifft 1. den Besuch der Gottesdienste,
2. das Katechismusexamen, 3. Aberglauben und Zauberei. Sie mußte zweimal
im Jahre in allen Gemeinden von der Kanzel abgelesen werden und hat in Ver—
bindung mit der gleich zu nennenden PP über ein Jahrhundert lang eine grund-
legende Regelung des kirchlichen Lebens SHs dargestellt.
Weil der verlorene Krieg und die Klagen der Bischöfe über die darniederliegende
Kirchenzucht König Christian JV. überzeugt hatten, daß „des Allerhöchsten
Zorn und Rache wider Land und Leute verursachet und zu Wege gebracht wird,
wann man Seiner Majestät (!) die rechtschaffene Gottesfurcht, Ehr und Gehor—
sam, wie solches sein Wort erfordert, nicht leistet“, versammelte er im Januar 16209
die Bischöfe des Landes und die Professoren der Universität Kopenhagen, um über
die Verbesserung des Kirchenwesens überhaupt und insonderheit der Kirchenzucht
zu beraten. Die Frucht dieser Beratungen ist das außerordentlich ausführliche und
durch manche neue Anordnungen sehr bemerkenswerte königliche Edikt vom
27. März 1029 (vollständig auf deutsch bei Pont. IIIIS. 771- 792). Nach
Pont. S. 771 ist dies Edikt auch in den Fürstentümern Schleswig und Holstein
publiziert und in dieisem Sinne von J-M III, S. 39 ff. auszugsweise mitgeteilt.
Es ist jedoch zu betonen, daß es ein einseitig Königliches Edikt war und deshalb
weder im fürstlichen noch im gemeinsam regierten Teile Geltung besaß. Dennoch
ist es auf alle Fälle für unser Land von Bedeutung geworden, indem es zum Teil
die Grundlage bildet, auf der sich die nunmehr folgenden, teils gemeinschaftlichen,
teils einseitig königlichen Verordnungen zur Verbesserung des kirchlich-sittlichen
Lebens der Untertanen aufbauen.
Hier ist vor allem zu nennen die Gemeins. Polizeiverordnung
vom 27. Sept. 1636 (Gem. Verf. S. 476- 5360), deren Titulus de
Pietate, „von der Gottesfurcht“ die 1023 gebotenen gottesdienstlichen Pflichten
noch einmal wieder einschärft (zu lesen auch C. R. H. J, S. 295 ff.), ferner die
vor allem auf Betreiben des GS Klotz und seiner Pröpstesynode erlassenen Kö⸗—
niglichen Verordnungender Jahre 1646 und 47 (vergl. C. R.
H. I, S. 247 ff. und oben S. 186).
Es hat keinen Zweck, die nun immer zahlreicher erfolgenden obrigkeitlichen Ver—
fügungen über das kirchlich-sittliche Verhalten des Kirchenvolkes hier aufzuführen
— sie erscheinen an ihrem Ort. Mit dem absolut gewordenen Fürstentum beginnt
der Polizeistaat, der das tägliche Leben der Untertanen bis in die Einzel—
heiten, selbst der Kleidung, zu regeln versucht. Die hohe Obrigkeit täuschte sich frei—
lich selber, wenn sie meinte, mit allgemeinen Verordnungen viel auszurichten. Ihrer
Betriebsamkeit stand die Volksgewohnheit und die Trägheit der Beamten sowie
der Eigenwille der herrschgewohnten Junker als zähes Hindernis entgegen. Der
Himmel war hoch und der Zar war weit: die staatliche Executive war noch lange
nicht imstande der weit ausschreitenden Legislative zu folgen.
) Zu lesen Schrr. 9, 248 f.