Full text: 1517 - 1721 (2)

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B. 2, K. 5, 9 42. Erziehungsfaktoren 
der Kirchenbuße zu ermahnen, wie denn auch noch in der angezogenen Kön. Konst. 
von 16460 (Bu 1J, 282) — von Klotz inspiriert — geboten wird, „darinnen 
kein ansehen der Persohnen, sie seyn gros oder geringe, geachtet werden soll“. 
Aber wer will es den von ihrer Umgebung abhängigen und vielfach nur allzu— 
dürftig gestellten Pastoren verdenken, wenn sie die „besseren“ Leute gelinder an— 
faßten als die Armen und nur allzu bereit waren, gegen eine an die Armenkasse 
zu zahlende Buße und etwa auch noch eine gute Gebühr die öffentliche Buße in 
eine Kanzelbuße, womöglich noch Suppresso nomine zu verwandeln? Vollends, 
wenn es sich um die adeligen Herren und deren „Diener“ handelte? Selbst— 
verständlich rechneten die Junker es zu ihren Privilegien, mit Kirchenbuße ver— 
schont zu werden und hatten, sofern sie Kirchenpatrone waren, sogar ein gewisses 
Recht dazu. Es war doch einfach undenkbar, daß der Herr sich büßend vor den 
Altar seiner „eigenen“ Kirche legte, wie weiland Kaiser Theodosius. Und von 
welchem gutsherrlichen Dorfpfarrer konnte man es verlangen, wie ein Ambrosius 
aufzutreten? 
So waren die Junker und ebenso die Günstlinge unter ihren Dienern der 
Kirchenzucht so gut wie völlig entzogen. Sie konnten, von der Kirche ungestört, 
ruhig „fressen, saufen und huren“ ), während jede arme Dienstmagd, die einen 
Fall tat, unweigerlich „Buße sitzen““) mußte. Sie waren nicht Objekt, sondern 
Subjekt der Kirchendisziplin und brauchten neben Halseisen und hölzernem Esel 
auch die von ihrem Pastor auszuübende Kirchenzucht zur sittlichen und religiösen 
Erziehung ihrer Untertanen“). 
Auch das „grobe Volk“ unterwarf sich nicht gern der „offenen“ Buße. Mehr— 
fach berichtet Fabr. daß „die Delinquenten nicht gerne dran wollten“, selbst die 
Leibeigenen. Aber sie „mußten's eben leiden““. Doch kam es auch vor, daß höher— 
gestellte Leute, von natürlich-menschlichem Gefühl getrieben, der Kirchendisziplin in 
den Arm fielen, wenn sie allzu hart und starr „kleine Leute““ anfaßte. Zwei Fälle 
aus Fabr., Vis.berr. sind in dieser Beziehung sehr bemerkens- und erinnernswert: 
In Kropp war ein altes Weib, das mehrere uneheliche Kinder gehabt, ohne Abendmahl 
gestorben. Pastor denegirte ihr Begräbnis vermöge Constitution. Des Hardesvogts Frau aber 
ließ in Abwesenheit des Herrn Hardesvogts (der absichtlich verreist sein soll) und des Herrn 
Pastors die Schlüssel cum violentia aus dem Hause des Letzteren nehmen, läuten und also 
begraben werden. 
Von Lensahn wird berichtet: Ein Weib, so in zwey Jahren nicht zum Abenduhl ge— 
wesen, wird krank, und da sie fast in extremis ist, begehret sie das Abendmahl, wird aber 
vom Tode übereilet. Selbiges Weib ist auf des Junckers Ratlowen, Patroni, Mutter Geheiß 
in seinem Abwesen, weil er zum Kiel im Umschlage war, Christlicher weise zur Erden bestattet 
worden, was sich nicht gebühret hätte, und ob zwar jetziger Pastor, der damals noch nicht Pastor 
war, hiebey guter meinung des Patronen Mutter gewaruet, sich fürzusehen, was man thäte, 
ist doch dasselbe nicht gehöret, besondern geantwortet worden, das Weib hätte christlich gelebet, 
were zu Zeiten nicht bey sinnen gewesen, das stünde wohl zu verantworten. Patronus aber 
sol es post reditum sehr übel empfunden haben. — Wer in diesen Fällen mehr im Geiste 
20) Diese Prädizierung stammt nicht von mir, sondern von einem freimütigen Geistlichen der 
Zeit (Samuel Meiger, Panurgia lamiarum S. G. g. g. 1. 6.). 
122) „Botsitten“ nannte man es im Volke, auch Fabr. bedient sich gelegentlich dieser Be— 
zeichnung (man „sitzt“ auf den Knien). 
u2) Fabr. berichtet 1030 von Nüccheln: Die offenbare Busie gehet im schwange. Des 
einen Juraten tochter ist vitiiret, wolte gern mit dieser disciplin verschonet sein, Pastor aber 
ist auf die Kirchenordnung verwiesen, davon er nicht abtreten wird. Patronin hält fleißig über 
die offenbare Buße. Welches billig zu rühmen, dem Exempel auch andere billig nachfolgen 
sollten.
	        
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