Verfall der Beichte
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anderen Feiertage zur Beichte einzustellen hätten. Diese wohlgemeinte
Maßregel hatte indes wieder den Nachteil, daß die Leute aus ihrer Berufsarbeit
herausgerissen wurden und vielfach äußerlich und innerlich zu solcher feinen Seelen—
feier wenig bereitet waren.
Das war natürlich besonders bei den mit Hofdiensten überladenen Leibeigenen der Fall. Sehr
drastisch schildert Fabr. 1039 die Verhältnisse in Lebrade: „Wenn die Unterthanen am
Sonnabend vormittag in Hofediensten sein, lauffen sie nachmittag faul und schmutzig nach der
Kirchen zu, mit ihren instrumenten, so sie draußen vor der Kirche lassen; muß bei so hohem
Werke schlechte Andacht sein; haben nicht so viel Zeit von Hofediensten, daß sie erst nach Hause
gehen können, weil es oft weit aus dem Wege. Solte nicht so sein.“ Andererseits kam es vor,
daß die Leute den gutwilligen Herrn betrogen, indem sie vorgaben, zur Beichte zu wollen und
dann doch nicht hingingen. So berichtet Fabr. von Jellennbete (Krusendorf).
Von vielen adeligen Herren aber wurde die Vorschrift der Sonnabendsbeichte
geradezu sabotiert, indem sie sich weigerten, ihre Leute am Werktage zur Beichte
zu schicken ), daher in zahlreichen Gutsgemeinden noch Jahrzehnte lang nach alter
Weise die Beichte nur am Sonntag stattfand. Aber auch in den freien Gemeinden
mußite erst mancher passiver Widerstand überwunden werden. Noch im Jahre 1085
musite es innerhalb der Propstei Segeberg den Leuten ernstlich eingeschaͤrft werden,
dast sie nur am Sonnabend beichten dürften.
Aber auch, wo die Sonnabendbeichte durchgeführt war, wurde sie sicher von
den wenigsten Geistlichen zu einer Verbesserung ihrer Beichtpraxis benutzt. Ge
wiß waren nicht alle so pflichtvergessen, wie der Pastor zu Stellanu (vgl. oben
S. 433). Von den Fleißigen wurde die Zusammenkunft so vieler Leute dazu be
nutzt, statt der Einzelbelehrung eine gemeinsame Katechismusstunde zu halten, für
die Bequemen war sie geradezu eine Wersuchung, es so zu halten wie der Stel—
lauer Pastor und die Privatbeichte zu einer allgemeinen zu machen. Trotzdem die
Visitatoren angewiesen waren, diesem Unfug zu wehren, wird er sich im Laufe des
17. Jahrhunderts immer weiter ausgebreitet haben, bis endlich die Adlersche
Agende aus der Not eine Tugend machte und die allgemeine Beichte zur Regel
erhob. Damit war die Beichte vollends zu dem geworden, was sie noch heute ist,
eine ziemlich belanglose Vorbereitung auf die Kommunion ohne irgendwelche er—
ziehliche und seelsorgerliche Bedeutung.
5. Kirchenvolk und Altarsakrament.
Besser als mit der Beichte gelang es in bezug auf den Gebrauch des Altar-
sakraments die alte Tradition aufrecht zu erhalten.
Im Anfang mag der Empfang des Kelches gerade ernsteren Leuten viel Be—
denken und Schwierigkeiten gemacht haben. Die KO (S. 47) schrieb in solchem
Fall eine dreimonatliche Belehrung vor. Nachdem aber diese Schwierigkeit ge—
hoben war, mußte gerade in lutherischen Landen das Kirchenvolk inne werden. daß
d) Von Borby berichtet Fabr.: „Beichte daselbst nur am Sonntag Morgen, weil es
den Kirchspieljunkern gar fremd, ja höhnisch vorkommen soll, ihre Diener von der Arbeit am
Sonnabend zur Beichte zu schicken. Klagen daher auch die Geschwornen zum Höchsten, daß
den armen Leuten dergestalt mit Hofediensten zugesetzt, ja ihrer weder Tag noch Nacht sowohl
an Sonn und Festtagen geschont wird, daß sie zu nichts qutes kommen können. Bitten, Gott
wolle die Junker bekehren, da sonst keine Hoffnung.“ Freilich waren nicht alle Junker so
schlimm. Aufier von dem Jellenbekener Herrn berichtet Fabr. auch von dem Bovenauer, dast
er seine Leute willig zur Sonnabendsbeichte sende. Aber daß die meisten Adeligen waährend
des 17. Jahrhunderts die landesherrliche Anordnung sabotierten, steht fest.