42 B. 2, K. 5, 8 44. Kampf gegen Zauberei und Teufelsbündnis
Unverstanden, geheimnisvoll und vielfach erschreckend lag die Natur vor den
Menschen. Von keiner Offenbarung erleuchtet, nur dem natürlichen Erkenntnis—
prinzip folgend, nach welchem der Mensch das Maß aller Dinge ist, hatte das
Heidentum die Ueberwelt in eine bunte Fülle von lebendigen, zum Teil sich wider—
strebenden Geistern aufgelöst und ebendadurch zu erklären gesucht. Statt klar und
sachlich und unerschrocken die Geheimnisse der Natur zu durchforschen und sich also
die Welt dienstbar zu machen, stand die Menschheit in Furcht und Hoffnung vor
einem unübersehbaren Gewirr von Geistern, die sich in gute und freundliche auf
der einen, und böse und schädliche auf der anderen Seite schieden. Es galt die guten
Geister für sich zu gewinnen, die bösen aber abzuwehren. Aber diese Kunst war
nicht jedermann bekannt; nur solche, die tiefer in die Geisterwelt hineingeschaut
hatten und mit ihr auf vertrauterem Fuße standen, weise Männer und Frauen ver—
standen sie: sie wußten durch geheimnisvolle Handlungen die hilfreichen Geister
heranzuziehen, die bösen abzuhalten oder auszutreiben: aus der Weltanschauung des
Heidentums, dem Geisterglauben, erwuchs als Praxis ganz von selbst
die Magie.
Als das Christentum in die Welt trat, übernahm es von der „Kirche“ des
Alten Testaments die heilige Aufgabe, das Heidentum nach seiner theoretischen wie
seiner praktischen Seite auszurotten. Das geschah zunächst dem Geiste Christi
entsprechend im freien Geisteskampfe: der bunte Geisterglaube des Heidentums
wurde angesichts des hellen und klaren Monotheismus zum bäurischen Aberglauben
Paganismus), die heidnische Magie zu der von Gott verbotenen „Zauberei““. Je
weiter aber die Zeit ging, desto mehr entfernte man sich vom Geiste Christi. Einer⸗
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Zauberei aufrief, andererseits, indem die Kirche sehr wesentliche Elemente des
Heidentums in sich aufnahm; anstelle der vielen guten Götter und Geister
des Heidentums traten als Nothelfer die Heiligen, und die magische Praxis
des Heidentums wurde, nur äußerlich christianisiert, von der Kirche über—
nommen. Die geistige Wirkung des Wortes wurde von sakramentalen
Handlungen überwuchert, anstelle der alten heidnischen Kraft- und Segens—
sprüche traten als magische Mittel der Name Christi und das Kreuzes—
zeichen, das Vaterunser, der Glaube und andere Formelsprüche. Durch beides
wurde die Kraft der Kirche zur Bekämpfung und Ausrottung des im Wolke noch
lebendigen Heidentums gelähmt. Durch äußere Gewalt war dieses nicht auszu—
rotten: der Erfolg der Strafandrohungen war lediglich, daß die im Heidentum
durchaus legitime und zu guten Zwecken geübte Magie sich ins Verborgene zurück—
zog und vielfach zu einem Mittel boshafter Schädigung der Mitmenschen wurde:
aus den „weisen Frauen“ des Altertums wurden „Hexen““. Die geistige, inner—
liche Wirkung der kirchlichen Verkündigung aber wurde dadurch paralyfiert, daß
die Kirche nicht imstande war, den Geisterglauben als törichte Einbildung zu kenn—
zeichnen und so durch weise Aufklärung die Seele des Volkes vom drückenden Bann
des Aberglaubens zu befreien, sondern ihrer ganzen Einstellung nach die Geister—
welt des Heidentums als überweltliche Realität durchaus bejahen mußte. Daß
dabei auch die guten Geister zu bösen und häßlichen Dämonen wurden, machte die
Sache nicht besser; im Gegenteil, es vermehrte nur die abergläubische Furcht des
Volkes vor Teufeln und Gespenstern. Vielfach wird auch der Bauer die Predigten
der Priester von der Kraft der Heiligen innerlich verlacht und gedacht haben: ich
weiß es besser: meinen Wätern haben die gesegneten Mittel der weisen Frauen ge—