Full text: 1517 - 1721 (2)

B. 1, 9 3. Ref. Bewegung in den Herzogtümern 
geliums predigten, sicher berechtigt genug. Bei Beschwerde c) jedoch darf man doch 
wohl bezweifeln, daß sie allgemein berechtigt war; daß es in der Tat habgierige 
Priester gab, die in der bezeichneten Weise vorgingen, ist bei dem traurigen Ma⸗ 
terialismus, in den die Klerisei verfallen war, sicher anzunehmen. 
Es ist nun sehr bezeichnend, was der König nach Beratschlagung mit seinen 
Räten durch den Kanzler „hefft affseggen laten — Derlandesberrliche 
Bescheid: 
.Die Pracelaten sollen in ihren Kirchen „verschaffen“ (dafür sorgen), 
daß das heilige Evangelium werde von Gelehrten recht „gedeutschet““ (ausgelegt) 
und keine Fabeln gepredigt (a), daß Gott und seine Heiligen nicht verhöhnt (b), daß 
Erzbischöfe, Praelaten und Geistliche, Herren und Fuͤrsten (!) nicht beschimpft 
oder gelästert werden (c) — bei ernstlicher Strafe Königlicher Erlauchtigkeit gegen 
die Zuwiderhandelnden. 
2. Die Bischöfe und Praelaten sollen ihren Offizialen in Geldsachen keinen 
Bann erlauben. 
3. Was den Mißbrauch der heiligen Sakramente anbelangt, so soll man kein 
Sakrament verkaufen oder neue Taxen darauf setzen, sondern nur nach alter Her— 
runft und nichts anderes fordern. 
4. Dagegen sollen Mannschaftund Städte den Praelaten und Geist— 
lichen die althergebrachten Abgaben „sunder jenige bespar vnd hynder“ leisten, „auch 
den Kirchherrn für ihre göttlichen Dienste und Seelenerhaltung den notwendigen 
Unterhalt“ in Gestalt von Kornlieferungen oder was es sonst nach alter Gewohn⸗ 
heit sei, gutwillig entrichten und bezahlen. 
Ueber solcher „affsprake“ (landesherrlicher Entscheidung) werde der König bei 
Verlust Königlicher Gnade und schwerer Strafe halten und so unter den drei 
Ständen für Eintracht und Verträglichkeit sorgen. 
Auch aus dieser königlichen Erklärung geht hervor, daß es sich bei dem Rends— 
burger Landtag nicht um irgendwelche reformatorische Maßnahme in lutherischem 
Sinne gehandelt hat. Alle Anordnungen des Königs liegen durchaus im Rahmen 
gut katholischer Reformversuche. Das „heilige Evangelium' ist 
kein spezifisch lutherischer, sondern ein altkatholischer Begriff, und die Forde— 
rung, daß die Predigten von törichten Fabeln gereinigt würden, konnten auch gute 
Katholiken sich zu eigen machen. Besonders bemerkenswert aber ist, worauf H. F. 
Rördam aufmerksam gemacht hat“), daß, während die Beschwerde der Mannschaft 
sich offtenbar gegen katholisscche Prediger wendet, in Punkt 1 der königlichen 
Entscheidung auch die Evangelifchen Prädikanten in ihre Schranken ge⸗ 
wiesen werden. Denn nur von ihnen konnte es doch u. U. gelten, daß sie „Gott 
and seine Heiligen“ verhöhnten, geistliche und weltliche Herren'!) beschimpften und 
lästerten. Die Rechte der Geistlichkeit werden auf's kräftigste aufrecht erhalten. So 
hält sich der König durchaus auf der Linie, die er offiziell sets eingehalten hat: eine 
Kirchenreform namentlich im Sinne evangelischer (echt christlicher) Verkündigung 
unter Aufrechterhaltung der Hierarchie. 
Jedenfalls hatten die Prälaten keine Ursache, mit dem in Rendsburg Erreichten 
nicht zufrieden zu sein. Desto stärker mußte sie erschüttern, was in Kiel 1526 
vor sich ging. Denn hier wurden sie gerade an ihrer empfindlichsten Stelle, nämlich 
N Kirkekalender for Slesvig Stift 1862, S. 185. 
*i) Letzteres war namentlich bei den Prädikanten spiritualistischer Prägung möglich — eine 
klare Scheidung zwischen ihnen und den echt lutherischen, obrigkeitsfrommen Prädikanten war 
ija noch nicht erfolgt.
	        
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