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B. 2, K. 5, 9 45. Erziehung zur geschlechtl. Sittlichkeit
Kön. Verf. vom 20. Okt. 1037, in Const. J, 32*). Für Süderdithmarschen
freilich wird durch Propst Clüvers Verfügung von 1032 (Grassau S. 62)) und
durch Fabr. Vis. Berichte für die adeligen Gebiete nachgewiesen, daß zum Teil
mit der Hochzeit auch die Kirchtrauung am Werkeltage stattfand.
Schon die immer erneuten Befehle, die Trauungen in der Kirche zu halten,
deweisen, daß die Untertanen in immer stärkerem Maße Haustrauungen
und Haustaufen) begehrten. Zunächst wurde das gegen Erlegung einer besonderen
„Buße“ nur in besonderen Motfällen (etwa wenn eine Trauer die öffentliche Feier
unmöglich machte oder wenn ganz alte Leute sich verheirateten) gestattet, und als
in den Zeiten des Schwedenkrieges die Privattrauungen stark eingerissen waren,
wurde durch königliches Mandat vom 24. Mai 160602 eine Haustrauung ohne
königlichen Konsens strengstens verboten und für eine Dispensation die hohe Summe
bon 50 Rthlr. verlangt. Nachdem jedoch die Regierenden bemerken mußten, daß
die Neigung zu Haustrauungen bei den Untertanen scheinbar unausrottbar blieb,
machten sie aus der Not eine Tugend, bzw. aus der Untugend ein Geschäft und
setzten einen nach dem Vermögen abgestuften Tarif für die Dispen-—
sationen fest. Nach der kön. Verf. Glückstadt, 27. Oct. 1082 hatten an die
Amts- oder Landstuben zu zahlen a) vornehmste Bürger und Kaufleute in den
Städten, sowie königliche Amtsbediente 12, b) mittelmäßige Bürger und Kauf—
leute 8- 10, c) Haus- und Landleute 6 Rthlr. (für Haustaufen 6, 4, 3 Rthlr.).
Damit war zugunsten der fürstlichen Kasse wieder einmal in eine uralte kirchliche
Sitte eine unheilbare Bresche gelegt, indem nun jeder, der irgend des Vermögens
war, sich eine Haustrauung (und Haustaufe) erlauben konnte, und nur die Aermsten
gezwungen waren, sich in der Kirche trauen und ihre Kinder dort taufen zu lassen.
Von da wird es sich herschreiben, daß bis in die neueste Zeit jedenfalls in Holstein
auf dem Lande die Haustrauung als das Feinere galt und die Kirchtaufen in
manchen Gemeinden völlig abkamen.
Der Adel beanspruchte natürlich auch auf diesem Gebiete seine besonderen Pri—
oilegien. Wie die holsteinischen Gutsherren zum Kummer ihrer Dorfpfarrer die
Trauung ihrer Töchter bei Gelegenheit des Kieler Umschlags in der dortigen
Hauptkirche vorzunehmen liebten, so pflegten sie daheim nicht nur ihre Töchter,
sondern auch die von ihnen ausgestatteten männlichen und weiblichen Dienstboten
auf ihren Schlössern kopulieren zu lassen (Fabr.).
3. Die Hurerei oder der außereheliche Geschlechtsverkehr
war naturgemäß ein sehr „gemeines“ Laster. Deshalb waren die Geistlichen
besonders befehligt, gerade in dieser Beziehung auf ihre Pfarrkinder ein wachsames
Auge zu haben, und schon die erste uneheliche Geburt wurde unweigerlich mit
Kirchenbuße belegt. Auch durch besondere Behandlung der unehelichen Kinder bei
der Taufe suchte man abzuschrecken (vygl. oben S. 479). Ferner kennzeichnete
eine gewiß uralte Volkssitte die „Huren“ dadurch, daß sie mit bedeckten Haaren
gehen mußten, eine Strafe, die auch von der weltlichen und kirchlichen Obrigkeit
anerkannt wurde.
*) So ist jedenfalls indirekt daraus zu schließen, daß GS Klotz 1651 als eine Neuerung
vorschlug, die „Copulationes ipso die nuptiarum, als am Werkeltage“ zu halten.
2) Clüver klagt bei dieser Gelegenheit, daß die zu froher Feier Versammelten den Pastor
angebührlich lange warten ließen und oft erst „am späten Abend“ in der Kirche erschienen. Er
oerordnet deshalb, daß die Trauungen zu Mittags um 12 Uhr angestellt werden sollen, bei
Strafe 2 Rthl., einen an die Kirche und einen an die Armen.