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B. 2, K. 5, 9 40. Kirche und Schule
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denen durch solche Privatschulen der Schulschilling geschmälert wurde. Aber ein
gewisser Teil der Bürger, und namentlich wohl der „bessere“, hielt hartnäckig an
der Privatschule fest, und so finden wir die Klippschulen noch tief in die Neuzeit
hinein).
Auch unsere KO verordnet für alle Städte und Flecken, daß alle Winkelschulen
abgetan werden sollen. Sie erwähnt auch die „deutschen Schulen der Kinder
und Mädchen, die nicht Latein lernen“.. Sie überläßt die Sorge für diese der
(weltlichen, städtischen) Obrigkeit und verlangt ihrerseits, also von der Landes—
obrigkeit aus nichts weiter, als daß man „solchen Kindern neben anderer Ge—
schicklichkeit den Anfang eines gottseligen Lebens vorhalte““, das heißt daß man in
ihnen den Kindern den Katechismus beibringe, sie beten und singen lehre. Insofern
die städtischen Schreib- und Leseschulen weltliche Schulen mit obli—
gatorischem Religionsunterricht sind, ist die spätere Volksschule
in ihnen schon deutlich vorgebildet.
Aus den Worten der KO geht hervor, daß sie deutsche Schreib- und Lese—
schulen als bereits an manchen Orten bestehend voraussetzt. Tatsächlich aber
werden sie ne ben den Lateinschulen nur in größeren Städten vorhanden gewesen
sein; in kleineren Orten war, wie oben bemerkt, die sog. Latein- oder Rektorschule
tatsächlich nur eine Schreib- und Leseschule mit lateinischem An- oder Oberbau.
Mit den besprochenen Schularten ist das städtische Schulwesen umschrieben
and die weitere Entwickelung desselben einigermaßen verständlich gemacht. Schwie—
riger und insofern wichtiger ist die Beschreibung des ländlichen Schul-
wesens. Hier begegnen uns neben- und zum Teil gegeneinanderstehend die
Kirchspiels schule und die Dor fschule.
Obligatorisch, d. h. für jene Zeit: für jede Gemeinde gewümnscht, war die
Kirchspielsschule.
Von einer Kirchspiels schule können wir da sprechen, wo die zum allgemeinen
Katechismusunterricht bestellten „Kirchendiener“ (Pastor, Kaplan, Küster) oder
auch ein von der Kirche bestellter „Schulmeister“ außer dem religiösen auch einen
allen Kindern der Kirchgemeinde offenstehenden weltlichen Elementarunterricht
mindestens doch im Lesen) erteilen.
In diesen Kirchspielsschulen haben wir die Hauptwurzel der spä—
teren ländlichen Volksschule?).
Zwar fehlen auch hier noch zwei wesentliche Prinzipien der heutigen Volks—
schule, nämlich J. der obligatorische Besuch durch alle Kinder des Volkes, 2. die
Unentgeltlichkeit des Unterrichts. Beides hängt naturgemäß zusammen.
Unentgeltlich war nur der Katechismusunterricht — diesen allen
Kindern des Volkes, reich wie arm unentgeltlich zu erteilen, hielt die Kirche schon
nach mittelalterlichem Vorgang für ihre Liebespflicht. Deshalb konnte sie auch
verlangen, daß alle Kinder diesen Unterricht besuchten. Und es scheint, daß sie
das schon während unserer Periode ziemlich erreicht hat. Die Notwendigkeit des
Beichtexamens zwang, die später eingeführte Konfirmation ermunterte die Eltern
dazu, ihre Kinder wenigstens den Katechismus lernen zu lassen. In der so
7 Moch Theodor Storm erzählt, daß er seine ersten Studien in solcher Klippschule gemacht
abe.
9) Die Hauptwurjel, nicht die einzige wie Rendtorff S. 217 behaupten will. In dieser
eriehun⸗ hat Michel sen (vgl. dessen Artikel im K.—un. Schulblatt 1885, S. 188 jf.) rich—
tiger gesehen.