Haderslebensche Reformation
1
Der ältere und bedeutendere Widensee wurde Pastor an der Marienkirche und
Superintendent über das ganze herzogliche Gebiet, also auch über das unter dem
Bistum Ripen liegende Törninglehn. Der jüngere Wendt, „ein von den Ge—
danken Luthers in seltener Weise ergriffener Mann und Meister des lateinischen
Stils, auch der griechischen und hebräischen Sprache“ (Mich.), ward Lektor oder
„Lesemeister“ im Kapitel und wohl auch der Leiter der nunmehr im evangelischen
Geiste wieder aufgerichteten deee
Beide Lehrer hielten Vorlesungen über die Heilige Schrift und die griechische
Sprache, die aus nah und fern, auch aus Reichsdänemark viele Zuhörer fanden'“).
Wie die beiden Männer die Bürger der Stadt durch ihre Predigten in die
evangelische Erkenntnis einführten, so vertieften sie dieselbe im täglichen Umgang
auf dem Schlosse bei dem Herzog und seiner jungen Gemahlin“). Schon im Jahre
1527 hielt man die Stadt für genügend evangelisiert, um den katholischen Gottes—
dienst mit Vigilien und Seelenmessen abzuschaffen und statt dessen „evangelische
Messe“, wohl nach Luthers Vorbild, einzuführen. Vorher, am Dreikönigstage
(6. Januar) des Jahres, hatte der Herzeg die Dominikaner aus ihrem Kloster
vertrieben.
Aber des Herzogs reformatorische Absicht bezog sich ja nicht allein auf seine
Residenzstadt, sondern auf sein ganzes Gebiet. Schon im Frühjahr 1526 hatte er
alle Geistlichen der beiden Aemter zusammenrufen lassen, um ihnen eine „Refor—
mation“ vorzulegen. Die Sache hatte sich jedoch zerschlagen, weil einerseits Ivar
Munck, der Bischof von Ripen, den Törninglehnern Geistlichen den Besuch der
Versammlung verboten, andererseits — wie es scheint — auch König Friedrich
auf Einspruch des Bischofs die Versammlung nicht zugelassen hatte“). Jetzt wurde
der Versuch aufs neue unternommen und gelang, da der Ripener Bischof seine
Episkopalrechte nicht mehr geltend zu machen wagte. In den ersten Monaten des
Jahres 1528 erfolgte die Berufung sämtlicher Kirchherren der beiden Aemter nach
Hadersleben. Diese wurden zunächst durch Vorlesungen Wendts und Widensees
in die neue Theologie eingeführt; dann mußten sie sich einem Eramen unterwerfen
und erhielten darauf nach Ablegung eines Diensteides neue Vokationen. Mur von
oieren (aus dem Törninglehn) wird berichtet, daß sie sich widersetzten und deshalb
abgesetzt werden musiten. Die übrigen sechzig liesten sich wenigstens äußerlich be—
lehren. Eine Hauptforderung war, dast die bisher im Konkubinat lebenden Priester
— das werden wohl die meisten gewesen sein — ihre „Köchinnen“ ehelichten. Wie
tief die Bekehrung ging, ist eine andere Frage. Daß dieser und jener im Herzen
ein guter „Papist“ geblieben sei, wird berichtet“). Da Ersatzmaterial kaum vor—
banden war, mußte man sich vorläufig an der äusieren Unterwerfung der Priester
genügen lassen und das weitere einer besseren Belehrung und einer sachgemästen
Beaufsichtigung überlassen.
Sehr charakteristisch ist der neue von Widensee den Priestern auferlegte Am t 8
ei.): sie müssen dem Herzog Treue schwören, ein christliches Leben, vor Tem
Sitadichen zurückgesehnt baben. — Sowohl ihm wie Wenth ist es zugute gekommen, daß sie als
Niedersachsen die plattdeutsche Verkehrssprache beberrschten. Dänisch zu lernen hat sich, wie es
cheint, keiner von ihnen bemüht: diese Sprache hat ihnen offenbar nur als unliterarischer
Dialekt, als lingua vulgaris gegolten.
c) So kamen aus Malmöndie S. 26 erwähnten Töndebinder und Spandemager.
) Diese tritt uns später als eine theologisch stark interessierte Frau entgegen.
) Vergl. Ny KS8 4, S. l ff.
v) Vgl. Kirkekal.el, S. 140.
o) Lateinischer Wortlaut des Eides bei Lau, S 110