15260- 1533
Wege der Freiwilligkeit gegangen war, so war es wahrlich nicht wenig, was erreicht
war. Gerade der intelligenteste und kultivierteste Teil der Bevölkerung waͤr mehr
oder weniger für die Gedanken der Reformation gewonnen worden. So darf man
gewiß sagen: sowohl in Reichsdänemark wie in den Herzogtümern war beim
Regierungsantritt Christians III. das Reformationswerk soweit fortgeschritten,
daß er nicht das Gefühl haben konnte, seinen Untertanen etwas Neues und Unbe—
kanntes wider ihren Willen aufzudringen, wenn er in Gottes Namen es unter—
nahm, das alte Kirchenregiment völlig zu beseitigen und durch eine neue, feste
Ordnung „die zerfallene Lehre und Religion Christi wieder aufzurichten, wie er
das schon lange für seine Länder gewünscht hatte“ (Ord. lat. Prooemiumj).
Wo ein so großer und wertvoller Teil seiner Untertanen bereits aus freien Stücken
dem Evangelium sich erschlossen hatte, da konnte er mit gutem Gewissen dem frei—
lich noch größeren Haufen der Unwissenden und „Zurückgebliebenen“ gegenüber
das Augustinische: Coge intrare! anwenden.
Ehe wir jedoch erzählen, wie das geschah, haben wir noch einer besonderen Episode
aus der Reformationsgeschichte der Herzogtimer zu gedenken, und sodann uns um—
zuschauen, wie weit ces in den benachbarten „Staaten“ auf dem Boden Schleswig—
Holsteins mit dem Werk der kirchlichen Erneuerung bis dahin gediehen war.
§4. Melchior Hoffmann und die Ausscheidung des Spiritualismus
aus unserer Reformationskirche.
Das Auftreten des in der Ueberschrift genannten merkwürdigen Mannes in
unserem Lande bildet zwar nur eine kurze Episode in unserer Reformationsgeschichte.
Trotzdem ist es geboten, davon mit größerer Ausführlichkeit zu berichten, nicht nur,
weil wir in dem großen Dunkel, das uns sonst umfängt, hier endlich einmal einen
literarisch heller beleuchteten Punkt finden, sondern auch, weil es sich hier um
bedeutend mehr als um eine wenn auch noch so denkwürdige Person handelt: in ihr
tritt jene religiöässe Richtung, welche in Mittel- und Süddeutschland der lutherischen
Bewegung parallel geht und früh von ihr abgestoßen wird, auch in unser sonst so
ruhiges Land und wird auch hier ein für allemal aus der werdenden lutherischen
Kirche ausgeschieden, um künftig nur als eben geduldete Sekte völlig außerhalb der
offiziellen Kirche ein verborgenes Leben zu führen.
Die nicht geringe Literatur über M. Hoffmann (vgl. bei Witt S. 190 ff.) ist
in neuerer Zeit durch eine gründliche Monographie über diesen Mann (Fr. O. zur
Linden, Melchior Hoffmann, ein Prophet der Wiedertäufer. Haarlem-Leipzig
1886) bereichert worden, deren Forschungsergebnisse ich in der folgenden Dar—
stellung mit Dank benutzt habe.
1. Melchior Hoffmann bis zu seinem Auftreten in Holstein.
In Schwäbischhall von armen Eltern geboren und darum trotz frühzeitig her—
vortretender großer Begabung zum Handwerker (Kürschner oder „Peltzer“) be
stimmt, einer literarischen Bildung nicht ermangelnd, von der mystischen Literatur
stark beeinflußt, ward er frühzeitig zum begeisterten Anhänger des Wittenberger