In Kiel, 1527- 29
wieder von seiner Seite entfernen würde, durfte er nicht hoffen. So wandte er
sich zu dem Zwecke an den Reformator. Er nahte ihm in der Maske eines
für Reform gestimmten Kirchenmannes, der nur beklagte, daß gewisse Neuerer
wie der Pelzer altehrwürdige Gebräuche wie die Messe und die Taufe mit ge—
weihtem Wasser antasteten. Mit vollendeter Heuchelei zeigte er sich um den guten
Ruf Luthers besorgt: er möge doch nicht zulassen, daß solche Skandale im Namen
seiner Lehre und der von ihm gepredigten christlichen Freiheit einhergingen.
Der gutgläubige Reformator ließ leider sich täuschen. In einem Briefe an
Prawest?) schüttelte er die radikalen Stürmer von sich ab und erklärte in
offenster Weise seinen Grundsatz, keine Zeremonien zu verdammen, die nicht direkt
gegen die Schrift stritten. In Wittenberg habe man die Bilder, den Taufstein, jo
sogar die lateinische Messe beibehalten und nur einige Gesänge und die Abendmahls—
worte auf deutsch eingestreut; letzteres gegen seinen Willen, da er für seine Person
die lateinische Messe durchaus nicht aufgehoben wissen wolle. Vor dem Pelzer
möchten die Evangelischen in Kiel sich hüten und den Rat veranlassen, ihn nicht
mehr zum Predigen zuzulassen, trotz der von ihm vorgezeigten königlichen Briefe.
Er sei ein Phantast und zum Lehramte weder fähig noch berufen.
Diese von Luther hervorgelockten Aeußerungen kamen dem Kieler Pfarrherrn
ausierordentlich gelegen. In der Hoffnung, dadurch die evangelische Bewegung auf—
zuhalten, zeigte er den Brief überall herum. Aber sein Triumph hielt nicht lange
vor. Aufrichtige Freunde des Evangeliums klärten den Reformator über den
wahren Charakter Prawests auf und teilten ihm mit, daß dieser „giftige Verse“
wider ihn verbreite. Daraufhin empfing Prawest ein Schreiben Luthers
— vom 9. Mai 28*) —, das er sicher nicht herumzeigte. In aufrichtiger Empörung
und in derbster Weise schlug Luther nun auf die echt papistische Verlogenheit des
Pfarrers los. Er wolle zwar nicht, daß Melchior Unruhen anrichte, aber noch viel
weniger, daß Leute wie Prawest gegen Diener des Wortes wüteten, selbst wenn sie
etwas unruhig wären. Gleichzeitig schrieb Luther an den Kieler Bürgermeister
Paul Heugen (cichtiger Hargen) und den Bürger Konrad Wulff“),
wie sehr er sich in ihrem Pfarrherrn getäuscht habe: sie möchten diesen seinen Brief
nun ebenso bekannt machen, wie Prawest das mit dem ersten getan habe. Er habe
in der Besorgnis geschrieben, daß in Kiel wie an anderen Orten der Lauf des
Evangeliums durch Stürmer und Schwärmer verhindert werde. Hoffmann scheine
ihm ein wenig zu geschwind zu verfahren, wenn er es auch gut meine. Sie möchten
ihre Prediger vermahnen, daß sie das Evangelium „säuberlich und mit Stille
lehren sollten, nicht mit Poltern, Brechen und Stürmen, denn das Verkehrte werde
mit der Zeit von selber fallen, wenn nur die Herzen zunächst wohl und recht gelehrt
und unterrichtet würden“.
Dies indirekt an Hoffmann gerichtete sanfte Mahnwort machte auf diesen seines
Berufes so gewissen Mann natürlich wenig Eindruck. Neue Berichte über sein
„stürmisches“ Vorgehen müssen in Wittenberg eingelaufen sein, wodurch Luther
veranlaßt wurde, sich am 24. Juli 28 an Prinz Christian zu wenden“).
Er wünscht, daß Melchior Hoffmann sich mäßiglich halte und sein Predigen liesie
anstehen, bis er der Sachen baß berichtet. Er treibe viel vergebliche Dichterei und
12) Ebenda S. 226. Weimarer Ausgabe, Briefwechsel Bd. 4, 410.
2) Enders VI, 200. W. A. 4, 453..
19) Ebenda 201 und Krafft, 447. W. A. 4, 454, 4560.
15) Gedruckt in Luth. Werken, Er!. Ausg. 54, 29 nach der Dän. Bibl. 4, 152 und noch
dine aber falsch datiert 55, 207 f. nach Schumacher, Gel. Männer Briefe 2, 2601. W. A.
4 3