Full text: 1517 - 1721 (2)

In Kiel, 1527- 29 
wieder von seiner Seite entfernen würde, durfte er nicht hoffen. So wandte er 
sich zu dem Zwecke an den Reformator. Er nahte ihm in der Maske eines 
für Reform gestimmten Kirchenmannes, der nur beklagte, daß gewisse Neuerer 
wie der Pelzer altehrwürdige Gebräuche wie die Messe und die Taufe mit ge— 
weihtem Wasser antasteten. Mit vollendeter Heuchelei zeigte er sich um den guten 
Ruf Luthers besorgt: er möge doch nicht zulassen, daß solche Skandale im Namen 
seiner Lehre und der von ihm gepredigten christlichen Freiheit einhergingen. 
Der gutgläubige Reformator ließ leider sich täuschen. In einem Briefe an 
Prawest?) schüttelte er die radikalen Stürmer von sich ab und erklärte in 
offenster Weise seinen Grundsatz, keine Zeremonien zu verdammen, die nicht direkt 
gegen die Schrift stritten. In Wittenberg habe man die Bilder, den Taufstein, jo 
sogar die lateinische Messe beibehalten und nur einige Gesänge und die Abendmahls— 
worte auf deutsch eingestreut; letzteres gegen seinen Willen, da er für seine Person 
die lateinische Messe durchaus nicht aufgehoben wissen wolle. Vor dem Pelzer 
möchten die Evangelischen in Kiel sich hüten und den Rat veranlassen, ihn nicht 
mehr zum Predigen zuzulassen, trotz der von ihm vorgezeigten königlichen Briefe. 
Er sei ein Phantast und zum Lehramte weder fähig noch berufen. 
Diese von Luther hervorgelockten Aeußerungen kamen dem Kieler Pfarrherrn 
ausierordentlich gelegen. In der Hoffnung, dadurch die evangelische Bewegung auf— 
zuhalten, zeigte er den Brief überall herum. Aber sein Triumph hielt nicht lange 
vor. Aufrichtige Freunde des Evangeliums klärten den Reformator über den 
wahren Charakter Prawests auf und teilten ihm mit, daß dieser „giftige Verse“ 
wider ihn verbreite. Daraufhin empfing Prawest ein Schreiben Luthers 
— vom 9. Mai 28*) —, das er sicher nicht herumzeigte. In aufrichtiger Empörung 
und in derbster Weise schlug Luther nun auf die echt papistische Verlogenheit des 
Pfarrers los. Er wolle zwar nicht, daß Melchior Unruhen anrichte, aber noch viel 
weniger, daß Leute wie Prawest gegen Diener des Wortes wüteten, selbst wenn sie 
etwas unruhig wären. Gleichzeitig schrieb Luther an den Kieler Bürgermeister 
Paul Heugen (cichtiger Hargen) und den Bürger Konrad Wulff“), 
wie sehr er sich in ihrem Pfarrherrn getäuscht habe: sie möchten diesen seinen Brief 
nun ebenso bekannt machen, wie Prawest das mit dem ersten getan habe. Er habe 
in der Besorgnis geschrieben, daß in Kiel wie an anderen Orten der Lauf des 
Evangeliums durch Stürmer und Schwärmer verhindert werde. Hoffmann scheine 
ihm ein wenig zu geschwind zu verfahren, wenn er es auch gut meine. Sie möchten 
ihre Prediger vermahnen, daß sie das Evangelium „säuberlich und mit Stille 
lehren sollten, nicht mit Poltern, Brechen und Stürmen, denn das Verkehrte werde 
mit der Zeit von selber fallen, wenn nur die Herzen zunächst wohl und recht gelehrt 
und unterrichtet würden“. 
Dies indirekt an Hoffmann gerichtete sanfte Mahnwort machte auf diesen seines 
Berufes so gewissen Mann natürlich wenig Eindruck. Neue Berichte über sein 
„stürmisches“ Vorgehen müssen in Wittenberg eingelaufen sein, wodurch Luther 
veranlaßt wurde, sich am 24. Juli 28 an Prinz Christian zu wenden“). 
Er wünscht, daß Melchior Hoffmann sich mäßiglich halte und sein Predigen liesie 
anstehen, bis er der Sachen baß berichtet. Er treibe viel vergebliche Dichterei und 
12) Ebenda S. 226. Weimarer Ausgabe, Briefwechsel Bd. 4, 410. 
2) Enders VI, 200. W. A. 4, 453.. 
19) Ebenda 201 und Krafft, 447. W. A. 4, 454, 4560. 
15) Gedruckt in Luth. Werken, Er!. Ausg. 54, 29 nach der Dän. Bibl. 4, 152 und noch 
dine aber falsch datiert 55, 207 f. nach Schumacher, Gel. Männer Briefe 2, 2601. W. A. 
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