Bd. l, 9 4. Melchior Hoffmann
Nachdem die Sache Melchior erledigt war, kam Johann von Kampen
dran.
Johann Rantzau fuhr ihn an: „Was sagt Ihr vom Sacramente? Ihr mögt
wohl in der Schrift bewandert sein, das rüge ich nicht; aber ich kenne Euch als
einen verzweifelten Buben, das habt Ihr an meiner Schwester bewiesen?!a). Sagt
an jetzt!“ (zur Linden, S. 146.) Der Inculpat erklärte, er könne nicht glauben, daß
Christus im Brote sei. Die Einsetzungsworte verstand er wie Hoffmann: das
Brot ist der Leib Christi, aber der, der im Glauben genossen wird.
Nachdem über diese zweifelhafte Formel lange hin und her geredet war, nahm
man Jakob Hegge vor. Er meinte, daß er durch die verschiedenen Streit—
schriften zu Zweifeln an der lutherischen Lehre gekommen sei, sich indessen gerne
belehren lassen wolle. Machdem Bugenhagen erklärt hatte, daß man solche, die da
weifelten, nicht verwerfe, „ward Herr Jacob Hegge befohlen, daß er sich zu denen
hielte, die ihn mit Gottes Wort unterrichten könnten“.
Als darauf die Menge schon herausdrängte, stürzte ein Mann herein, der sich
Johann Barse nannte. Mit aufgeregten Gesten und Worten erklärte er, er
wolle sich mit dem Kürschner brennen lassen; die Wittenberger machten mit ihrer
Lehre: in und unteer dem Brot sei der Leib Christi, neue Artikel des Glaubens.
Er aber stehe auf Gottes Wort, das sage: das i st mein Leib. So sei es auch, man
esse Christi Fleisch, und zwar, wie Augustinus lehre, im Glauben. „Ich gläube viel
mehr dem Augustino, denn dem Pomerano.“
Der lärmenden Heiterkeit, welche dieser Mann in der Menge verursachte, suchte
Herr Stephan, Pfarrherr zu Hamburg, zu wehren, indem er das Präsidium
bat, Silentium zu verschaffen, damit man nicht nachher sage, es sei was Großes in
dieser Disputation aufgebracht und man habe es nicht hören wollen. Als wieder
Stille eingetreten war, wurde Johann Barse in recht herablassender Weise von
Herrn Stephan belehrt, daß Augustin an anderen Stellen im Sinne der Real—
präsenz gelehrt habe.
Am Ende der Action wurden beide Theil gefragt, „ob sie noch mehr Artikel wider
einander fürzubringen hätten. Da haben sie auf beiden Seiten geantwortet: Mein.“
Amfolgenden Tage beriet sich der König mit seinen Ratgebern, was in
der Sache zu tun wäre. Einig war man sich in dem Urteil, daß die Aeußerungen
Hoffmanns und seiner Genossen eine „offenbare Verleugnung des Wortes und
Befehls Christi vom Sakrament“ und solcher Irrtum nicht zu dulden sei. Die
Strafe betreffend waren etliche für ein schärferes Verfahren, weil Hoffmann sich
selber „den Galgen, das Rad, das Feuer, das Wasser erwählet hätte, wo er in
seiner Lehre unrecht befunden würde““, und weil er „als ein Müntzerischer Auf—
rührer öffentlich in der Disputation gesagt hätte, daß noch viel Bluts müsse ver—
gossen werden, darum daß die andern Prediger vom Sakrament nicht lehren woll⸗
ten, wie er lehrte“. Es siegte jedoch — wie es scheint, von Bugenhagen befürwortet
— der mildere Vorschlag, daß sie, wenn sie nicht widerrufen wollten, des Landes
verwiesen werden sollten.
Am dritten Tage wurde im Franziskanerkloster dies Urteil feierlich
proklamiert. Hoffmann, von Kampen und für diesmal auch Hegge verweigerten
einen Widerruf.
Damit war ihr Schicksal besiegelt. Binnen zwei Tagen hatten sie ihren Wohnort
und binnen drei Tagen darauf das königliche Gebiet zu verlassen. Jakob Hegge hat
240) Gemeint ist die Itzehoer Aebtissin.