Full text: 1517 - 1721 (2)

Ausgang 
in Hamburg schließlich doch vor Bugenhagen widerrufen, Hoffmann und von 
Kampen gingen in die Ferne, der erstere mit Verlust seiner Druckerei und vieler 
Bücher. Es scheint, daß der wider ihn aufgereizte Kieler Pöbel eine förmliche 
Plünderung seines Hauses vorgenommen und noch auf der Reise ihn mit Totschlag 
bedroht hat. 
Mit ihm war der Spiritualismus — von Wiedertäufertum konnte man bis 
dahin noch nicht bei ihm reden — aus der neuen reformatorischen Kirche unseres 
Landes vor aller Welt ausgestoßen. So berechtigt die übliche Meinung sein mag, 
daß der Protestantismus um der Erhaltung seiner selbst und des Evangeliums 
willen sich von der spiritnalistischen Bewegung abscheiden mußte, so darf man rück. 
blickend mit ebenso gutem Rechte sagen, daß die neue Kirche damit einen grosien 
Verlust erlitten hat. Gerade Hoffmann vertrat trotz jener Aeußerung nicht das 
wilde, aufrührerische, auf soziale und politische Revolution ausgehende Täufertum 
eines Münzer, sondern das zwar eschatologisch bestimmte, aber politisch ungefähr— 
liche Elitechristentum, wie es nachher von Menno Simons und — abgeschwächt — 
im Pietismus geformt worden ist. Außerdem war er ein hervorragender Vertreter 
einer volkstümlichen Betätigung der Laien in der Kirche und damit des von Luther 
ursprünglich proklamierten allgemeinen Priestertums. Mit der Ausscheidung der 
von ihm vertretenen Richtung verlor unsere Kirche nicht nur einen grosen Fond 
lebendiger Frömmigkeit, sondern auch einen grosien Teil ihrer Volkstümlichkeit: 
sie wurde zur Pastoren- und Obrigkeitskirche, in der Luthers Evangelium nur einen 
locus doctrinae bildete, im übrigen aber das Gesetz herrschte. Das Flensburger 
Gespräch zeigt deutlich, wie früh schon auch in unserer „Landeskirche““ der Ortho— 
doerisssmus ausgebildet war, d. h. das Drängen auf Buchstabengläubigkeit 
und strengste Lehreinheit. Man prüfe daraufhin die so oft, auch von Michelsen ver— 
tretene Anschauung von ihrem „melanchthonischen Charakter““)! 
») Hoffmann selber hat nach seiner Vertreibung zu unserem Lande keine Beziehung mehr 
zgehabt. Höchstens könnte man als solche werten, daß er seine Erklärung der Offenbarung Jo— 
hannis (1530) unserem König Friedrich gewidmet hat, eine Tatsache, aus der man wohl 
— 
Hesfmanns Verkündiqgung besonders sympathisch gewesen sei, als die, daß Hoffmann diesem 
seinem einstigen Patron ein dankbares Andenken bewahrte und die Schuld für seine Vertrei— 
bung weniger auf diesen fürstlichen Laienchristen als auf die „Geschmierten und Gelehrten“ 
warf. Wie hoch Hofsmann den König weriete, geht daraus hervor, daß er demselben einen 
hervorragenden Platz in der apokalyptischhen Endvollendung anwies (zur Linden, S. 200). 
Hoffmanns weiteres Geschick zu berichten ist also hier nicht der Ort. Ich verweise hierfür auf 
die ausführliche und schöne Darstellung zur Lindens und gebe zum Abschluß nur folgende Daten: 
Auf dem Wege nach Ostfrieshand traf er mit Karlstadt zusammen und wurde in diesem 
überwiegend zwinglianisch gerichteten Lande als ein Märtyrer dieser Richtung gefeiert. Ende 
1529 finden wir ihn in Strasiburg. Von der dortigen Stadtgeistlichkeit zunächst freundlich 
aufgenommen, zerfiel er doch bald mit ihr, und die zwinglianischen „Gelehrten“ galten ihm 
hinfort nicht mehr denn die lutherischen. Er warf sich nun ganz dem sektiererischen Täufertum 
in die Arme und wirkte um 1530 herum in Emden geradezu als täuferischer Profet. In 
Emden verfasite er sein bedeutendstes und klarstes Buch, die „Or dinatie Godts“. 
Aus diesem geht hervor, das er nunmehr auch in der reformatorischen Grundlehre von der 
Rechtfertigung im Glauben von Luther abgekommen ist: nun baut er das Heil auf die durch 
Taufe und Abendmahl zu besiegelnde Bundschließung der Seele mit Gott. Als aposto« 
lischer Herold des Bundesevangeliums zog er nun durch die Lande des Westens, um allenthalben 
die „Liebhaber der Wahrheit““ zu einer großen Bundesgemeinde zu sammeln, die er dem 
Bräutigam bei seiner Wiederkunft als eine unbefleckte Braut entgegenzuführen hoffte (zur 
Linden, S. 254). In dieser Zeit hat er seine eigentumliche, von Schwenkfelds und Sebastian 
Franks abweichende, noch lange in den Täuferkreisen nachwirkende Lehre vom Fleische 
CEhrist i ausgebildet: Nicht aus der Jungfrau Maria hat Christus Fleisch angenommen — 
aus sündigem Fleisch geboren, hätte er die Sünder nicht erlösen können —, sondern das ewige
	        
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