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Wir würden nun gerne wissen, wie es nach Hoffmanns Entfernung mit der
Reformation Kiels weiter gegangen ist. Doch leider liegt auch über
dieser Frage ein großes Dunkel. Aus der Tatsache, daß König Friedrich im
Jahre 1530 das Franziskanerkloster aufgehoben und der Stadt übereignet hat,
ist zwar zu entnehmen, daß das alte Kirchenwesen schon damals weithin aufgelöst
war. Wer aber nach Prawests Rückzug in sein Bordesholmer Kloster (1528)
als Pfarrherr in Kiel gewirkt hat, wissen wir nicht. Daß es ein evangelischer
war, ist wahrscheinlich, da er ja vom Rate erwählt wurde (vergl. oben S. 52).
Aber seinen Namen wissen wir nicht. Wir wissen, daß der aus Lübeck vertriebene
Johann Walhof nach Kiel ging, aber nicht, ob er dort, wenn auch nur die
kurze Zeit bis zu seiner Rückberufung nach Lübeck, als Pfarrer gewirkt hat. Wir
kennen nur ein wenig den Mann, der bestimmt im Jahre 1540 Kirchherr von
Kiel war und haben, da er seit diesem Jahre von König Christian mit wichtigen
Aufträgen betraut war — wir kommen später darauf zurück — allen Grund
anzunehmen, daß er sich schon längere Zeit als Kieler Pfarrer bewährt hatte,
also vielleicht schon bald nach 1528 dort angestellt worden war. Dieser Mann
war Rudolf von Nimwegen (Noviomagus), ein, wie aus seiner aus—
erlesenen Bibliothek hervorgeht, nicht unbedeutender Theologe. Er scheint 1542
berstorben zu sein und darf mit einiger Sicherheit als der eigentliche Reformator
Kiels angesehen werden“).
§5. Die Reformation Dithmarschens.
1. Vorbemerkungen.
Wie Dithmarschen zur Reformationszeit noch außerhalb des Verbandes mit
dem fürstlichen Holstein stand, so ist auch die Reformation dieses Landes durchaus
elbständig und unabhängig von dem Gange, den sie in den Fürstentümern nahm,
verlaufen. Der Kleinheit und Einheit des Landes entsprechend ist die kirchliche
Neuerung hier früher als dort zum Abschluß gekommen, hat aber nicht geringe
Kämpfe verursacht und ist nicht ohne dramatische Momente. Auch ist ihr Gesamt⸗
verlauf hier deutlicher beleuchtet als in irgendeiner anderen Landschaft Sho').
Wort Gottes ist selbest in dem Leibe der Maria durch einen neuen Schöpfungsakt Gottes
Fleisch geworden. Als umherziehender Profet gewann er eine besondere Geineinde umer
den Täufern, welche sich als „Melchioriten“ bezeichnete. Im Jahre 1533 zog er infolge einer
Weissagung hinauf gen Straßburg, in der Hoffnung, von diesem „neuen Jerusalem“
aus als der neue Elias die Sache des Herrn zum Siege zu führen. Aber das neue Jerusalem
wurde ihm zum Golgatha. Vom Straßburger Rat für gefährlicher gehalten, als er war, mußte
er die letzten zehn Jahre seines Lebens im Kerker verbringen. Dies Ende eines in apostolijch
reinem Wandel und in verzehrendem Eifer für seinen Herrn vollbrachten Lebens mutet tragisch
in. Indessen ist sein Wirken nicht ohne Frucht gewesen. In der mennonitischen Richtung und
im englischen Independentismus hat sein Geist fortgewirkt.
*9) Vergl. den lehrreichen Aufsatz G. Ficker s „Die Büchersammlung eines evangelischen
Predigers aus dem Jahre 1542“ in BuM 7, S. 1281.
1)J) Zur Geschichte der Reformation in Dithmarschen vergl. die all—
zemeinen Landesgeschichten und die reiche bei Witt S. 57 ff. verzeichnete Literatur. Eine
besonders wertvolle Quelle ist die berühmte Chronik des Landes Dithmarschen von Johann
Adolphi, gen. Neocorus, hrsg. von Dahlmann, Kiel 1827; Facsimiledruck hrsq. von