Full text: 1517 - 1721 (2)

Durchführung der Reformation 
insonderheit von den Geschlechterbündnissen, welche Heirat unter 
nahen Verwandten, Blutrache und leichtsinnige Falscheide begünstigten. Daß es 
der neuen Geistlichkeit gelang, auf diesem Boden gute evangelische Ordnungen 
zu schaffen, spricht für den sittlichen Ernst und die Tüchtigkeit zum mindesten ihrer 
Führer. Schon aus dem Jahre 1532 haben wir eine ausführliche Anweisung 
über die Bedingungen des Sakramentsempfanges; hier wird nicht nur auf 
Kenntnis der Katechismuswahrheiten, sondern auch sehr ernst auf ein sittliches 
Leben gedrungen. Auch eine Kirchenordnung, „ordinatie“, wurde von den 
vier Superintendenten aufgerichtet. Sie ist leider verlorengegangen; doch wissen 
wir von einzelnen Vorschriften: so musite die Störung der Sabbatsruhe mit der 
Lieferung einer Tonne eingebrauten Bieres an die Bauerschaft und einer an die 
„Schlüter“ oder den Rat und der Zahlung von 80 Schillingen an das ganze 
Kirchspiel gebüsit werden. Die Heirat in zu nahen Verwandtschaftsgraden wurde 
verboten, ebenso die willkürliche Kündigung seitens der Prediger und der Ge— 
meinde. Sehr bedeutsame Regelungen des sittlichen Lebens waren das er ste 
Edikt von 1537 und eine schärfere Wiederholung desselben, das „lateste 
Edikt“ von 1540. Die „Bundbriefe“ wurden 1538 aufgehoben und 1540 
das Kloster in Meldorf in eine Landesschule verwandelt. Indessen waren die alt— 
hergebrachten Sitten nicht so leicht zu ändern, und mehrmals haben die Prediger 
ihr Amt in die Wagschale legen und mit der Einstellung ihrer geistlichen Funk 
tionen drohen müssen, um die wirkliche Abschaffung der Blutrache und der un— 
erlaubten Ehen sowie der im Lande eingerissenen Sitte der Haustaufen durch 
die „Bademömen“ durchzusetzen. Es stand eben hier wie anderswo: gute Ordnung 
war leicht zu schaffen, aber mit ihrer Durchführung haperte es, und zwar hier 
noch mehr als dort, wo eine feste Obrigkeit durchgreifen konnte; denn in dieser 
„Republik“ sahen die verschiedenen Obrigkeiten den vornehmen Geschlechts— 
genossen naturgemäß manches nach und waren geneigt, die gesetzlichen Be— 
stimmungen „motwilligen umtostöten, wenner me men Joachims Daler krigen 
kann“ (Neocorus II, S. 146). Es war begreiflich, das „vornehme Prädikanten 
in Holstein“ den beiden Boies gegenüber behaupteten, sie dürften mit gutem 
Gewissen den dithmarscher Herren nicht dienen, weil sie nicht mit einer „von 
ordentlicher Gewalt erwählten und verordneten, sondern einer selbstgewachsenen, 
eingedrungenen und aufgeworfenen Obrigkeit“ zu tun hätten. Hier zeigte sich, wie 
die Reformation der mittelalterlichen „Freiheit““ und Unordnung gegenüber die 
„ordentliche““, monarchische Obrigkeit und die feste staatliche Ordnung gefördert und 
damit dem modernen Staatsbegriff vorgearbeitet hat“.) 
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5. Auflösung der dithmarsischen Landeskirche (1559). 
Mit der Reformation war das Kirchenwesen in Dithmarschen zu einer echten 
undrechten Landeskirsche geworden: in sich durch einheitliche Ordnungen 
fest verbunden, nach ausien hin deutlich abgegrenzt, mit der politischen Ordnung 
des Gemeinwesens aufs engste verbunden, war es zu einem wirksamen Organis— 
mus des religiösen Volkslebens eines freien Bauernvolkes geworden: eine zweite 
3) Dagegen Hesd. S. 110: „die (lutherischen) Pastoren waren erzogen, Achtung vor Gesetz 
und Obrigkeit zu loben und zu fordern. Der Begriff der gesunden Roheit kam in ihrem Gehirn 
nicht vor“. Auch Cl. Harms hat als alter Dithmarscher die Geschlechterbündnisse gepriesen 
(Verm. Aufsätze und kleine Schriften S. 70—-80.)
	        
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