Full text: Die Juden und das Wirtschaftsleben

pflicht erhoben werden, Einreden aus den persönlichen Verhält- 
nissen zum ersten Gläubiger oder einem seiner Nachfolger. 
— Aber diesen grundpersönlichen Zug trug doch das deutsche 
Vertragsrecht wohl auch. Ja bis zu einem gewissen‘ Grade war 
er in ihm stärker ausgeprägt als im römischen. Das germanische 
Recht hatte den Grundsatz, daß der Schuldner keinem andern 
zu leisten verpflichtet sei, als demjenigen, welchem zu leisten er 
versprochen hatte. Die Forderung war überhaupt nicht über- 
tragbar (wie denn das englische Recht bis 1873 an der Unüber- 
tragbarkeit der Forderung grundsätzlich festgehalten hat). Erst 
mit der Rezeption des römischen Rechts dringt die Übertragbar- 
keit‘ der Forderungen in Deutschland ein. Und ‚eben wegen 
dieses starr persönlichen Charakters, um die mangelnde Zessi- 
bilität der Forderungen zu umgehen, behalf man sich ja (wie wir 
sahen) mit der Eselsbrücke‘ der .Ordre- und Inhaberklausel. Ich 
meine doch: damit ist deutlich genug ausgedrückt, daß das In- 
haberpapier als „„Verkörperung‘“ eines rein unpersönlichen Schuld- 
verhältnisses ganz und ‚gar. außerhalb des Ideenkreises des 
deutschen Rechtes gelegen war: gerade das Vorkommen der In- 
haberklausel beweist das. ; 
Jenen Rechtsgedanken, der den modernen Ordre-Inhaber- und 
Blankopapieren zugrunde liegt: „daß nämlich die Urkunde auch 
in der Hand jedes folgenden (sukzessive) z. B. der ersten Be- 
gabung noch völlig unbestimmten Nehmers Träger des beurkunde- 
ten Rechts ist‘, hat „weder das Altertum. noch auch.nur das 
Mittelalter voll entwickelt‘‘ 201. 
Diese Auffassung ist zweifellos. richtig, wenn .man.eine Ein- 
schränkung hinzufügt: soweit nicht das jüdische Recht in Betracht 
gezogen. wird. ‘Denn daß ‚dieses jenes, durch das ‚moderne  In- 
haberpapier ausgedrückte, - ‚sachliche‘. Schuldverhältnis. kannte, 
dürfte sich unschwer nachweisen lassen 2%, 
Die Grundidee des. jüdischen Obligationenrechts ist. die: es 
gibt auch Verpflichtungen ‚gegen unbestimmte Personen; man 
kann auch mit Herrn Omnis Geschäfte abschließen. Dieser. Grund- 
gedanke ist in den einzelnen Lehren wie folgt verankert: ; 
Das ‚Jüdische Recht kennt kein Wort ‚für Obligation, sondern 
nur eins für Schuld (Chow), eines für Forderung (Thwia). 
Forderung und Schuld werden im jüdischen Recht als selb- 
ständige Gegenstände angesehen. Ein sehr charakteristischer
	        
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