Full text: Die Juden und das Wirtschaftsleben

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die aus einer bestimmten Rechtslage folgen. Schließlich aber 
erscheint das Religionssystem in häufigen Fällen selbst als Ur- 
sache, sei es bestimmter äußerer Schicksalsfügungen des jüdischen 
Volkes (eben der von uns hervorgehobenen „objektiven Um- 
stände‘‘),' sei es bestimmter Eigenarten: des jüdischen Wesens. 
Die Religion steht also gleichsam zwischen den objektiven und 
(etwaigen!) subjektiven Befähigungsgründen mitteninne und ver- 
dient auch deshalb einen besonderen Platz in der Ordnung dieses 
Buches, den ich ihr in diesem Kapitel hiermit anweise. 
I. Die Wichtigkeit der Religion für das‘ jüdische Volk 
Daß die Religion eines Volkes oder einer Gruppe innerhalb 
des Volkes von. großer Bedeutung für die Gestaltung des Wirt- 
schaftslebens werden kann, dürfen wir als zweifellos annehmen, 
Noch unlängst hat uns Max Weber den Zusammenhang auf- 
gedeckt, der zwischen Puritanismus und Kapitalismus besteht, 
Und gerade Max Webers Untersuchungen haben ein gut Teil 
Schuld an der Entstehung dieses Buches: sie mußten jeden auf- 
merksamen Beobachter vor das Problem stellen, ob denn nicht 
etwa das, was Weber dem Puritanismus zuschreibt, schon lange 
vorher und_ später _in erhöhtem Maße von dem Judaismus ge- 
leistet. sei z. ja: ob denn das, was wir Puritanismus nennen, in 
seinen Wesenszügen nicht eigentlich Judaismus sei. Wir werden 
über diese innere Verwandtschaft der beiden Religionen noch 
mehr im weiteren Verlauf unserer Untersuchungen zu erfahren 
haben. 
Haben aber andere Religionssysteme, wie der Puritanismus, 
Einfluß auf die Gestaltung des Wirtschaftslebens ausgeübt, so 
dürfen wir. ohne weiteres, annehmen, daß es der Judaismus auch 
getan habe, weil ja wohl bei keinem andern: Kulturvolke die 
Religion eine so große Bedeutung gehabt hat wie bei’den Juden. 
Die Religion war ja bei ihnen nicht nur eine Angelegenheit 
der Sonntage und der Feste, sondern sie durchdrang das Alltags- 
leben bis in die kleinsten Verrichtungen hinein. Alle Lebens- 
verhältnisse erhielten ihre religiöse Weihe. Bei jedem Tun und 
Lassen wurde — wie man weiß und wie. wir im einzelnen noch 
erfahren werden —. die Erwägung angestellt: ob die göttliche 
Majestät damit anerkannt oder verleugnet werde. Nicht nur die
	        
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