Full text: Die Juden und das Wirtschaftsleben

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Beziehungen zwischen Mensch und Gott regelt das jüdische 
„Gesetz‘“, nicht nur einem metaphysischen Bedürfnisse kommen 
die Sätze der Religion entgegen: auch für alle andern denkbaren 
Beziehungen zwischen Mensch und Mensch oder zwischen Mensch 
und Natur enthalten die Religionsbücher die bindende Norm. 
Das jüdische Recht bildet ebenso einen Bestandteil des Religions- 
systems wie die jüdische Sittenlehre. Das Recht ist von Gott 
gesetzt und sittlich gut und Gott gefällig; sittliches Gesetz und 
göttliche Verordnung sind für das Judentum völlig untrennbare 
Begriffe 8, In konsequenter Auffassung gibt es sogar gar keine 
selbständige „Ethik des Judentums‘. „Die jüdische Sittenlehre 
bildet den inneren Quell, genauer das sachliche Prinzip der 
jüdischen Glaubenslehre. Die jüdische Ethik ist das Prinzip der 
jüdischen Religion.- Sie ist das Prinzip und nicht die Kon- 
sequenz. ” Sie kann aus der jüdischen -Religion nur in dem Sinne 
abgeleitet werden, wie man die Axiome aus dem Lehrgehalt der 
mathematischen Sätze ableitet... Es besteht eine unabtrenn- 
bare, unauflösliche Einheit zwischen der jüdischen Sittenlehre 
und der jüdischen Gotteslehre ... . Die jüdische Sittenlehre ist 
nichts anderes als die jüdische Glaubenslehre‘‘ 224, 
Bei keinem Volke ist aber auch so gut wie bei den Juden 
Vorsorge geiroffen, daß der Geringste die Vorschriften der 
Religion auch wirklich kennt. Schon Josephus meinte: bei den 
Juden könne man den ersten besten über die Gesetze befragen: 
er werde sämtliche Bestimmungen leichter hersagen als seinen 
eigenen Namen. Der Grund liegt in der systematischen Aus- 
bildung, die jedes‘ Judenkind in. Religionssachen erfährt; liegt 
in der Einrichtung, daß der Gottesdienst selber zu einem guten 
Teile dazu benutzt wird, Stellen aus den heiligen Schriften vor- 
zulesen und zu erläutern, so zwar, daß während des Jahres 
einmal die ganze Thora zur Verlesung kommt; liegt darin, daß 
nichts so sehr dem einzelnen eingeschärft wird als die Ver- 
pflichtung zum Thorastudium und Schemalesen. ‚In der heiligen 
Schriff (Deut. 6, 5) heißt es mit Bezug auf die Gebote und Vor- 
schriften Gottes: ‚Du sollst davon reden, wenn du zu Hause 
sitzest, wenn du auf Reisen bist, wenn du dich niederlegst und 
wenn du aufstehst‘“ 425, 
Aber kein zweites Volk ist wohl auch so streng in den 
Bahnen gewandelt, die Gott ihm gewiesen, hat die Vor- 
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