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Individuums eingegrabenen Zügen gesagt: „es steckt ihm im
Blute‘‘ und hatte nicht von Haar-. oder Stimm- oder Nasen-,
sondern von „Blutsverwandtschaften‘‘ gesprochen. Nun hat in
den letzten Jahren eine ganze Reihe von Forschern sich mit der
Frage beschäftigt: wie sich das Blut der einzelnen Tierarten
charakterisieren und von denen anderer unterscheiden lasse, wie
weit also die Blutanalyse zur Artdifferenzierung und Systemati-
sierung zu verwenden sei, Die Untersuchungen von Bordet,
Nutall, A, Wassermann, Uhlenhut, Frieden-
thal u. a. haben zu dem Ergebnis geführt ®%, daß es jetzt mit
Sicherheit gelingt, auf biologischem Wege Eiweiß zweier selbst naher
verwandter Arten voneinander zu unterscheiden und fernerhin ge-
wisse Eiweißdifferenzen innerhalb eines Organismus festzustellen.
Was fraglich blieb, war dies: ob mit derselben Methode auch
Unterschiede innerhalb der Art festzustellen seien, ob man
also die Blutanalyse auch durch Klassifizierung, z. B. der mensch-
lichen „Rassen‘, werde verwenden können. Die Arbeiten
Neisserscher Schüler, namentlich Carl Brucks*“”7, haben
diese Frage im bejahenden Sinne beantwortet. Untersuchungen
an Holländern, Chinesen und Malayen haben gezeigt, daß in der
Tat es mit Hilfe eines gegen‘ Vertreter der weißen Rasse ge-
richteten Immunserums möglich ist, diese von Angehörigen der
mongolischen und malayischen Rasse biologisch zu unterscheiden
und gleichzeitig aus den erzielten Titergrößen auf die Verwandt-
schaft der einzelnen Rassen untereinander zu schließen. ;
Natürlich handelt es sich auch bei diesen Untersuchungen
um erste Anfänge, und zu einem vollständigen Schema der
menschlichen Rassen werden wir auch mit den biologischen
Methoden einstweilen so bald nicht kommen.
Nun wäre es aber ein höchst bedenklicher Trugschluß, aus
diesen Mißerfolgen der Klassifikationsbestrebungen zu (folgern:
daß es überhaupt keine anthropologisch besonderen Menschen-
gruppen gäbe, Weil wir bisher kein Einteilungsprinzip gefunden
haben. braucht doch die Wirklichkeit nicht der Unterschiede zu
entbehren! Und wir werden auch diese ethnischen Unterschiede
der Menschengruppen wahrnehmen können, ehe uns die Ethno-
logie oder Anthropologie oder Biologie oder Physiologie das
Menschheitsklassifikationsschema geliefert hat. Wir werden sogar
immer auch Mittel und Wege finden, diese Unterschiedlichkeit