Klytaimestra
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Gestade gesandt, das unbarmherzige Weib.‘“ Nur hier spricht
Pindar mit solcher Gegenständlichkeit von der Untat eines Weibes,
Aber die poetisch leicht aufgehöhten Worte (V. 21; vgl. Fehr
a. a. O. 140) sind von der aischyleischen Darstellung der Klytaimestra
mit dem Blutstropfen auf der Stirn doch weit entfernt.
Betont setzt Pindar an den Beginn der Gegenstrophe V. 22 zwei
Worte, in denen die Tat gewertet wird, »nAnc yurd. „Ohne Erbarmen‘‘
war das Weib. Auch hier läßt der Dichter sich nicht zu schmähenden
Ausdrücken herab. „Erbarmungslosigkeit‘‘ könnte auch eine Eigen-
schaft von Helden sein. Darauf folgt ein Versuch, das Verhalten der
Frau begreiflich zu machen, der sich mit den Versen über Koronis
P. 3, 12ff. vergleichen 1äßt (Illig 97; vgl. S. 66). Hat die Schlach-
tung der Iphigeneia Klytaimestra dazu erregt, schwerwuchtenden
Groll ins Leben zu rufen, Bagurdiauov öooaı xöAov? Der Groll ist
wiederum nur eine Umschreibung für die Ermordung. Oder haben
die Beilager mit einem anderen sie zu der Tat verführt ? Die schwerer
wiegende Frage?) erscheint an zweiter Stelle. Die erste Frage ließ ein
nicht unedles Motiv anklingen: verletzte Muttergefühle (Fehr
a. a. O. 139); freilich wird dieser innere Zusammenhang nicht vom
Dichter ausgesprochen, sondern erst von uns erschlossen, Die zweite
Frage sieht den Mord als Folge des Ehebruchs an, womit sich eine
schwere doppelte Schuld auf Klytaimestra legt. Daß Pindar also
das Verbrechen verurteilt, bedarf keiner Frage, wenn er sich selbst
auf die Alternative auch keine Antwort gibt. In den folgenden
Gnomen aber biegt der Dichter von dem Grauenhaften ab. Daß
Bürger gern mißgünstig sprechen, hören wir unerwartet. Ja, es
könnte fast so scheinen, als ob Pindar Klytaimestra in Schutz
nehmen möchte (Schroeder 101). Obgleich das nur Schein ist (vgl.
Bischoff 11, 14), zeigt sich hier doch dasselbe Abrücken von dem
Gräßlichen an dieser Frau wie im Satz vorher. Mit ihren Gedanken
befaßt sich der Dichter, ein Bild ihrer äußeren Erscheinung ent-
wirft er so wenig wie bei Koronis oder auch Kyrene. Hinter den
Gnomen verschwindet Klytaimestra. In der kurzen Zusammen-
fassung des Geschehens (31—833) wird sie nicht mehr erwähnt:
Ödvey uev adrtos Hows ’Argeldas Ixwv xodvw xAvtTals Ev ”Aud-
%laic, udytıy r Ölsoos xdoav. „Der Held fiel“ heißt es jetzt
') Schroeder möchte S. 103 auf das erstgenannte Motiv das Haupt-
gewicht legen. Dagegen macht Bischoff, Gnomen Pindars, Würzburg
1938, S. 11 mit Recht geltend, daß die folgenden Gnomen das zweite
Glied der Alternative betonen und ..‚überzeugender zu machen‘ scheinen.