Full text: Mädchen und Frauen in Pindars Dichtung

110 6. Gruppen von Mädchen und Frauen 
führerin mit einem Roß von edler Rasse (46ff.) und ergehen sich 
auch sonst in den buntesten Gleichsetzungen (V. 54. 60. 92. 96. 100). 
Die pindarischen Mädchen sind ernst und zurückhaltend wie der 
Dichter selbst. Es kommt ihnen nur zu, Mädchendinge zu denken 
und mit der Zunge auszuwählen (V. 45) &u& ö8 no&nreı nagdern ia 
EV qo0vEw Yimooa TE AEysodaı. Was man als Gegensatz zu nap- 
deyia zu verstehen hat, ist von Wilamowitz (Gött. Gel. Anz. 166, 
1904, 671f.) angedeutet: die politischen Vorgänge, die das Haus des 
Aioladas in Mitleidenschaft gezogen haben. Darauf bezieht sich 
V. 38 goloocwr Bopkas, s. auch 65—69 und Fr. 104c 8. 19. Doch ist 
wichtig, daß die Agonsiege, von denen viele Verse hindurch (V. 53 
bis in die Lücke hinein) die Rede ist, nach Pindars Ansicht sehr 
wohl in den Mädchenmund gehören (vgl. das erste Kapitel dieser 
Arbeit). 
Man kann die Gegensätze zwischen Alkman und Pindar Jonisch 
und Dorisch nennen oder Dynamisch und Statisch, man kann sie 
schließlich auch zum archaischen Stil der bildenden Kunst einer- 
seits und zum herben Stil andererseits in Beziehung setzen. Wie 
man in den Jahren nach dem Persereinfall die dünnen, zierlichen 
Gewänder ablegte und wieder zum alten schweren, dorischen Peplos 
griff!), so wendet sich die Gestaltung des Frauenbildes in der Lite- 
ratur vom Erfassen des rein Schönen, des Lieblichen, Bewegten 
zum Erfassen des Würdigen, Ruhenden. Die Unterschiede erklären 
sich aber nicht nur aus der Verschiedenheit der Generationen, son- 
dern sind letztlich im Wesen der beiden Menschen Alkman und 
Pindar begründet. 
Wir haben gesehen, daß Pindar es liebt, hier und da eine Mädchen- 
gruppe vor dem geistigen Auge des Zuhörers erscheinen zu lassen, 
sei es im Mythos, sei es im Programm. Oft ist ein bestimmter Zweck 
nicht ersichtlich, oft dient das Bild der Tendenz des Liedes, so daß 
bisweilen recht spartanisch anmutende Szenen von Mädchen, die 
den Wettsieger bewundern, dabei herauskommen. Immer bilden 
die Mädchen eine geschlossene Gesamtheit, so wie dem boiotischen 
Dichter die Jungfrauen gegenüberstanden, wenn er ein Partheneion 
einstudierte. Pindars geringe Empfänglichkeit für das spezifisch 
Weibliche zeigt sich in der Darstellung. Er verweilt nie lange bei 
Bildern von Frauengruppen, er versteht es nicht, wie Alkman und 
Bakchylides die sinnliche Erscheinung in Worten wiederzugeben, 
1) Vgl. Rodenwaldt, Kunst der Antike 31.
	        
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