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Einleitung
sicht nicht den ersten Platz einnehmen, werden unsere Betrach-
tungen zeigen. Dennoch wird sich dabei erweisen, daß das Thema
berechtigt ist.
Die Untersuchung war zuerst als Teilarbeit einer größeren Ab-
handlung über die mythischen Gestalten Pindars gedacht, nahm
dann aber den Umfang einer Dissertation an, Es boten sich zwei
Möglichkeiten, das Thema zu behandeln: erstens konnten einzelne
Gedichtabschnitte erläutert, einzelne Frauenbilder interpretatorisch
nachgezeichnet werden; zweitens konnten die einzelnen Äußerungen,
die sich auf Frauen beziehen, in Katalogform systematisch zu-
sammengerückt werden, wobei auf Vollständigkeit abzusehen wäre‘).
Der zweite Weg wäre sicherer, aber öder, Dem einzelnen Dichter
kommt man näher, wenn man sich ganzen Partien zuwendet und
sich bemüht, die Bilder von Mädchen und Frauen aus der Gesamt-
heit der Äußerungen herauszuarbeiten.
Personifikationen sind nicht berücksichtigt, da sie bei Pindar
meist zwischen Begriff und Person schweben (vgl. Dornseiff, Pindars
Stil 52) und selten zu lebendigen Gestalten werden. Auch Frauen,
deren Name nur kurz erwähnt wird, die aber sonst keine nennens-
werten Züge aufweisen, sind nicht aufgenommen. Einige für Pindar
bedeutsame Göttinnen sind unter den sterblichen Frauen mitbe-
sprochen. Die Kapitelüberschriften geben jeweils den Ausgangs-
punkt der Betrachtung an; bisweilen werden Beobachtungen an-
geschlossen, die mit dem Kapitelthema in weiterem Zusammenhange
stehen, die aber kein besonderes Kapitel verdienen.
Immer wieder drängt sich bei der Betrachtung der Mädchen und
Frauen die Frage nach dem Menschen Pindar auf, nach dem, was
er bewundert, und dem, was er verabscheut, In einer Abhandlung
über moderne Dichtung kann ein entsprechendes Thema mit größerer
Sicherheit zu solcher Fragestellung erweitert werden, weil außer
dem vollständigen Werk meist Briefe, Tagebücher u. ä. Zeugnisse
vorliegen, die einen Einblick in das Verhältnis des Dichters zu
anderen Menschen seiner Zeit gestatten. Bei Pindar finden wir da-
gegen nur seine hochrepräsentative Dichtung, von einigen „poeti-
schen Briefen‘ abgesehen, die für unser Thema freilich nicht mehr
ausgeben als andere Chorlieder. Wir müssen uns damit begnügen,
1) So hat Karl Jax für ein großes Stoffgebiet die Bemerkungen über
die Schönheit zusammengestellt: Die weibliche Schönheit in der griechi-
schen Dichtung, Innsbruck 1933.