Artemis, die Kyrene unter den Göttern 21
dazu (S. 35). In den Epinikien O. 3; P. 2; P. 4; N. 9 handelt es
sich um Wagensiege, drückt sich also eine Beziehung der Artemis
zu diesem Agon aus. Hätte Artemis bei Pindar nicht ein besonders
kämpferisches, dem Wettkampf zugetanes Wesen, so würden wir
an diesen Stellen, soweit es um delphische Siege geht, wohl nur den
Namen des Pythiers als des Schirmherrn der Spiele finden.
Schließlich muß noch eine Szene besprochen werden, in der
gleichsam in einem Spiegelbild die Gestalt der Göttin, wie sie sich
Pindars gläubigem Auge darbietet, mit ihren charakteristischen
Neigungen aufgefangen ist. N. 3, 43ff. wird das ausgelassene Treiben
des kleinen Achilleus, der noch „in Philyras Hause‘‘ beim alten
Chiron lebt, geschildert. Den Speer wirft er windesschnell, mit
Löwen und Ebern ringt er und tötet sie, vom sechsten Lebensjahre
an. „Über ihn staunten Artemis und die kühne Athene, wie er
Hirsche erlegte ohne Meute und ohne listige Netze; denn mit den
Füßen war er ihnen über‘. Alles Lokale muß man, wie so oft bei
Pindar, der sich gern mit wenigen Strichen begnügt, dazudenken,
dann ergibt sich ein farbiges Bild aus dem boiotischen Wald; der
noch knabenhafte Held mit den blonden Haaren im Kampf mit dem
Wild; die beiden männlichsten Göttinnen stehen dabei und kommen
nicht aus der Bewunderung heraus, schweigender Bewunderung —
denn zum Reden sind Pindars Frauen wenig geschaffen (vgl. S.97f.).
Apollon findet in jener ähnlichen Situation (P. 9, 29ff.), als er
Kyrenes Kampf mit dem Löwen zusieht, eher Worte, seine Be-
geisterung auszusprechen, Das Motiv, daß Mädchen und Frauen
einen Helden bewundern, gibt es bei Pindar 1.0ch P. 9, 97ff.; 10, 59,
Dieser Zug gehört ganz allgemein zu Pind:rs Bild von der Frau;
und wir sehen an diesen Parallelen von sterblichen Frauen, die
noch zur Sprache kommen (vgl. S. 99f.), wie sehr Pindar auch in
Artemis sein Wunschbild vom Weibe verkörpert sieht, dem Weibe,
das die ritterliche Freude des Mannes an Kampf und Wettkampf
teilt!). Daß Pindar dies Bild von dem jagenden Achilleus, den die
Göttinnen bewundern, nicht irgendeiner Quelle verdankt, sondern
selbst geschaffen hat. weist E. T. Salmon, Class. Weekly 24. 1931,
ü das Ur-
1) Schroeder (Neue Jahrb. 51, 1923 134) knüpft an P. 3, 33
ten? „Offenbar Cr die noch halb barbarische Göttin dem FE
Boeoter im Grunde nicht sympathisch.‘ Ich finde diese Auffassung nic
bestätigt. .
Die Wesenezüge der pindarischen Artemis wie auch der Athene stimmen
in mancher Beziehung überein mit Vorstellungen, die Kallimachos N
diesen Göttinnen hat, wie sie K. Ziegler, Antike 13, 1937, 26f. darlegt.