Eros als Motiv gemieden
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"H oln Adiuovs iepods valovoa xoiAwvods
Awrtiw & medim roivßodtovos rt’ ’Ayutoowo
viwarto Borßıddoc Alurnc nzdöda naodkvos ddunc.
Wie ganz anders führt der Epiker in die Handlung ein. Wir tun
einen Blick in eine helle Landschaft: heilige Hügel, eine Ebene,
ein Fluß von Weinbergen umgeben, das Ufer eines Sees. Pindar
bietet statt dessen nur eine nüchterne Lokalangabe, V. 11 & daldum,
eine lebendige Vorstellung wird durch das Nebeneinander von Wirk-
lichem und Bildlichem im Keime erstickt: eis ’4föa öduov &v daldum
xart&ßa 1). Von der Jungfrau gibt der Eoiendichter gleich ein an-
mutiges Bild: sie wäscht sich am Ufer die Füße. An diese Stätte
ländlichen Friedens gelangte dann nach Wilamowitz’ Rekonstruktion
(Isyllos 70ff.) Apollon, verliebte sich auf den ersten Blick in das
schöne Mädchen und vereinigte sich sogleich mit ihm. Diese ganze
Szene fehlt in Pindars Erzählung. Sie war ihm wohl zu idyllisch
(vgl. S. 7f.). Um die leidende Koronis ist es Pindar im ganzen
Mythos zu tun, und so zeigt er sie gleich zu Anfang in ihrer Passi-
vität. Nachdem erzählt ist, welches Schicksal sie erduldete, erwartet
man zu hören, was sie getan hat. Nach einer Gnome (V. 11lcf.),
welche die Furchtbarkeit der beleidigten göttlichen Geschwister
unterstreicht, folgt V. 12 eine gewisse Aktivierung der Person, ohne
daß wir uns jedoch eine plastische Vorstellung von ihr bilden könn-
ten. Koronis hatte dem Apollon beigewohnt. Bevor sie aber aus
dieser Verbindung ein Kind gebar, vereinigte sie sich heimlich vor
dem Vater mit Ischys, einem Landfremden. Dieser Sachverhalt wird
uns in einem langen, gewichtigen Satze dargeboten, an dessen
Spitze die Bewertung dieses Tuns steht; es war ein Akt der Miß-
achtung gegenüber dem Zorn des Gottes (V. 12b drogpiavol£aıod
»ıy). Durch einen Fehler in ihrer Gesinnung ist Koronis zu dem
Vergehen geführt worden (V. 13 äumlaxlaıoı poevÖr). Hier macht
sich der gleiche Versuch bemerkbar, in die Vorstellungswelt des
Menschen einzudringen, wie in P. 2 bei Ixions Frevel, wo wir die-
selben Worte wiederfinden (V. 26. 30 — P, 3, 13a; V. 28 — P. 3, 24).
Pindar verabscheut die Tat und sucht sie doch zu verstehen. Nicht
Aphrodite trieb Koronis zu dem zweiten Beilager — denn mit
(söval xapdtooroı P. 2, 35) hat die Göttin der do&lovec EQwTEG
nichts zu schaffen (vgl. S. 58) — sondern ihr eigener verkehrter
Sinn. Sie wartete nicht ab, bis sie reif war für die rechtmäßige Ehe
1) Wilamowitz 282, 1 hält die Stelle für unheilbar verderbt.
Ahlert, Mädchen und Frauen in Pindars Dichtung 3