Full text: Mädchen und Frauen in Pindars Dichtung

38 
3. Liebe 
zückte. In der Eoie wird diese gebührend gerühmt worden sein 
Dafür entwirft Pindar ohne tiefere psychologische Kunst eir. 
geistiges Bild des Mädchens. Ihre Gedanken und Wünsche stellt er 
uns vor, wie er sie sich denkt. Das eigentümlich Weibliche ist dabei 
nicht erfaßt. 
Koronis ist keine von den Großen unter Pindars Frauen wie 
Kyrene, Medeia, Kassandra, an denen sich die Begeisterung des 
Dichters entzündet. Aber obwohl ihr alles Heldische fehlt, nimmt 
Pindar Anteil an ihrem Schicksal, wenn er es auch als gerecht an- 
sieht. Ein verhaltener Ton des Mitleids klingt durch seine Worte, 
Er sucht Koronis’ Schwäche zu erklären, und so wird sie einer von 
len vielen Menschen, nicht Mädchen oder Frauen, die geirrt haben, 
Wir hatten S. 61 gesehen, daß Pindar geschlechtliche Vorgänge 
des weiblichen Lebens nicht gern zum Gegenstande seiner Dichtung 
macht. Wie die Umarmungen werden auch Geburten meist sehr 
kurz abgetan, z. B. O. 6, 85; 7, 71; P. 9, 16. 59; I. 8, 22; Fr. 30, 6. 
Dabei ist das Wort „gebären‘“ außerordentlich häufig. Bisweilen 
steht ein Satz mit tixteıy nur für die Angabe der Herkunft eines 
Menschen, wo wir „Sohn der bzw. des‘ sagen würden: P. 9, 16; 
N. 5, 13a. Immer liegt bei Erwähnung einer Geburt der Ton auf 
dem Kinde, das zur Welt kommt. Die Geburt gehört mit in die 
Ruhmeschronik eines Helden. Nie wird eine Geburt um ihrer selbst 
nder um der Mutter willen geschildert. In P. 3 hat Pindar einmal 
den Vorgang der Geburt überraschend anschaulich wiedergegeben, 
weil die Geburt eine ungewöhnliche ist (V. 43 Apollon xalö” & 
vexgo0 Ädoraoe). Das Wunderbare soll deutlich werden. Doch könnte 
man sich gerade diese Partie, die an den Glauben der Zuhörer die 
größten Anforderungen stellt, in der Eoie noch breiter ausgeführt 
denken. Auf die Macht Apollons wendet Pindar also unsern Blick, 
nicht mehr auf das Schicksal der Mutter. 
Eine Geburt unter wunderbaren Umständen bildet auch den 
Hauptinhalt der ersten Mythoshälfte von O. 6, den der zweiten die 
Lebensaufgabe des eben geborenen Sohnes. Aus Gründen des Pro- 
gramms, nämlich um die Iamiden aus Pitana am Eurotas herzu- 
leiten (vgl. Wilamowitz, Isyllos 178ff.), setzt Pindar eine Dublette 
vor den eigentlichen Geburtsmythos, die man mit Wilamowitz un- 
schön finden kann. In beiden Fällen gebiert eine Jungfrau ein 
heimlich von einem Gotte empfangenes Kind, Für den Dichter be- 
zeichnend ist die Vergegenwärtigung der Pitana. „Nach Pitana an 
des Eurotas Ufer‘ will Pindar fahren (V. 28). Jeder Hörer denkt
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.