Gattin, Hausfrau, Hera
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Photios’ Lexikon unter “oa folgende Notiz finden (Pindar Fr. 283):
xapd ITwödow yao no “Hoyalorov Öeoueberaı &v TO On’ adrod
xataoxEvaOPETL Docvw. Pindar hat also den alten Schwank einmal
behandelt, und hier, in unwürdiger Situation, scheint Hera wirklich im
Vordergrund des Interesses gestanden zu haben. Der Dichter hätte bei
anderen Göttinnen wie Athene eine solche Herabsetzung wohl kaum
mitgemacht. Denn er hat ein ausgeprägtes Gefühl für das deorpe7&c,
vgl. O. 1, 35 Zoru 6° ävöol pduEV Eotxos äugl daLudvwr xald. Das
kühle Verhältnis des Dichters zu Hera macht sich da besonders
fühlbar, wo er die ihr heiligen Agone erwähnen oder einen Sohn
ihrer Stadt Argos feiern muß. Zweimal nennt Pindar sie als Herrin
von Spielen, P. 8, 79; N. 10, 23. Beidemal steht nur ihr Name ohne
irgendwelche Ausschmückung. N. 10 gilt Theaios, einem Argiver.
Da erwartet mancher Zuhörer einen Lobgesang auf die Göttin der
Vaterstadt, wie Pindar es O. 14, 1ff. verstanden hat, 17 Verse
hindurch mit begeisterten Worten die Chariten, die Orchomenos,
des Siegers Heimat, bewohnen (V. 2), zu preisen. Doch nichts von
dem: Hera wird viermal erwähnt (V. 2. 18. 23. 36), davon dreimal
namentlich und immer im attributiven Genetiv, so daß sie nicht
zur Gestalt wird. So haben also Heras Gegnerschaft gegen seinen
Lieblingshelden und ihre Funktion als Schützerin des Thalamos
Pindar nicht zu einer längeren rühmenden Erwähnung oder gar
Vergegenwärtigung der Göttin kommen lassen?).
Wir fassen kurz die Erörterungen des Kapitels „Liebe“ zusammen.
Zeugnisse von Pindars eigenem Zows zaıdıxds und bisweilen fest-
zustellende Vermeidung von Liebesszenen ließen uns die Frage
aufwerfen, ob Pindar Liebe zu einem Weibe überhaupt je gefühlt
hat, ob er in den Mythen für die Anmut eines Mädchens, die Schön-
heit einer Frau einen empfänglichen Blick hatte. Wir fanden, daß
die Liebe im allgemeinen bei Pindar eine geringe Rolle spielt. Er
verschmäht es, wie Homer und Bakchylides seelische Regungen
wiederzugeben. Meist begnügt er sich mit einer nüchternen Er-
zählung der Tatsachen.
Pindars Liebe zu dorischer Wesensart leitet ihn bei der Auswahl
der Liebesgeschichten. Er stellt das begehrte Mädchen gern in eine
Umgebung männlicher Taten hinein: Freier kämpfen miteinander,
mit dem Vater, mit der Braut. Götter rauben sterbliche Mädchen.
1) Auch Heras Schwester Hestia, die Vertreterin der häuslichen und
amtlichen Sphäre, spielt bei Pindar keine Rolle. Sie kommt nur einmal
vor, N. 11,1.