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3. Liebe
Der roheren Werbung stehen vereinzelt zarte Worte über die Liebe
gegenüber. Sie lassen eine Wertschätzung des andern Geschlechts
erkennen. Es gibt für Pindar einen heiligen Eros, eine edlere Liebe.
Ihr Kennzeichen ist Verborgenheit,
Nie schildert der Dichter die näheren Umstände einer Vereinigung.
Oft hält er die yduoı der Mythen, die er aufnimmt, absichtlich im
Dunkeln. Frevelhafte Liebe verurteilt er, ausführlich davon er-
zählen mag er nicht. Dafür überdeckt er das tatsächliche Geschehen
mit einem Mantel von Sentenzen.
An einen geschlechtlichen Vorgang wendet Pindar gern be-
sondere Kunst: die Geburt. In O0. 6 kann man geradezu von einem
Stimmungsbild reden. Wir suchten diese Tatsache auf ein Erlebnis
des Dichters zurückzuführen.
Dem Bereich ungebundener Liebe, der freien Natur, steht die
Welt des Thalamos gegenüber, der eroberten Jungfrau die Ehefrau.
Pindar hält sie nicht wert. Auch die Ehegöttin genießt nicht seine
Verehrung.