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mehr zugespitzt, und am Ende hat die Aussicht auf Beute (Acker
boden) die russophile Politik Bismarcks und Treitschkes geändert.
Die Pangermanen, teilweise unter dem Einflüsse der politischen
Agitation der baltischen Politiker, (Schieman, Rohrbach u. a.)
haben das offizielle Preußen gegen Rußland aufgereizt; die Ver
fechter der Bismarckschen Tradition (Hoetzsch) haben sich als
die Schwächeren erwiesen. Kaiser Wilhelm selbst hat, sowie
Bethmann-Hollweg, im Beginn des Krieges Rußland für den
Haupturheber des Krieges erklärt und des imperialistischen Pan
slawismus geziehen, eine Behauptung, die recht einseitig und
unrichtig ist.
Das Verhältnis Deutschlands zu Rußland hat sich durch den
neuen Kurs, durch die Weltpolitik, zugespitzt, die nach dem Osten,
nach Asien und Afrika Ausschau hielt; dort stieß Deutschland
nicht nur mit Rußland, sondern auch mit England und Frankreich,
den Hauptmächten Asiens, zusammen. Dies war auch der Anlaß,
daß eine Einigung zwischen Rußland und England zustande kam.
Die neue Weltpolitik Deutschlands ist im Wesen nichts anderes
als die Konsequenz des alten deutschen Dranges nach Osten:
Wilhelm ist der Fortsetzer der Türkenpolitik Friedrichs des
Großen, aber unter neuen Weltverhältnissen. Solange die Deut
schen nur gegen die Kleinvölkerzone drängten und solange das
Verhältnis Preußens zu Österreich nicht definitiv geklärt war,
konnten Deutschland (Preußen) und Rußland freundlich bleiben.
Interessen, die wesentlich nur kontinental waren, ermöglichten
eine Einigung. Deutschland besaß in Rußland einen nahen und
vorteilhaften Markt für seine energische Industrie. Sobald sich
Deutschland nach dem Jahre 1866 mit Österreich geeinigt und
eine energischere Politik auf dem Balkan und in der Türkei
eingeschlagen hat, als Deutschland seine Konolialpolitik in
augurierte und Afrika neben Asien der direkte Gegenstand
deutscher Wünsche wurde, näherten sich Frankreich und Eng
land Rußland. Rußland bekam in der neuen weltpolitischen
Situation für die Deutschen eine neue Weltbedeutung; die
Schwächung Rußlands und die Okkupation des russischen Süd
westens (fruchtbarer Boden, Kohle, Schwarzes Meer) wurden
das Ziel der deutschen Politik und des gegenwärtigen Krieges.
Die Aneignung der westlichen russischen Gubernien, die baltische
Politik, die Stellung zu Polen und der Ukraine sind das Ergebnis
einer Politik, die auf die Organisation eines deutschen Zentrai-