Full text: Das neue Europa: der slavische Standpunkt

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richtig und steht mit der Industrialisierung Böhmens im Wider 
spruch, welche Arbeitskräfte braucht und darum tschechische 
Arbeiter in deutsche Städte bringt. Und es waren häufig die 
Deutschen selbst, welche die Tschechen einluden, sich bei ihnen 
anzusiedeln, da sie dem tschechischen Arbeiter vor dem deutschen 
den Vorzug gaben. 
Die Frage der nationalen Minderheiten ist nicht nur für 
Böhmen, sondern für alle Staaten von einschneidender Wichtigkeit, 
da fast alle Staaten national gemischte Staaten sind. Und wenn 
das neue Europa nicht auf streng durchgeführtem Nationalitäts 
prinzip aufgebaut wird, so werden die nationalen Minderheiten 
durch gewisse Garantien gesichert werden müssen. So wird es 
auch in Böhmen sein. Die Tschechen haben stets den Ruf 
nach Gleichberechtigung, nicht nach Oberherrschaft erhoben. Der 
tschechoslowakische Staat wird mit Rücksicht auf seine zentrale 
Lage stets ein Interesse daran haben, daß den deutschen und 
den anderen kleinen Minoritäten alle Rechte garantiert werden. 
So wird es der gesunde Menschenverstand verlangen. 
Was die deutsche Minorität betrifft, so hat der führende 
tschechische Politiker Dr. Julius Gregr seinerzeit eine Berich 
tigung der politischen Grenzen im Norden in Vorschlag gebracht; 
manche Gebietsteile, wo nur ganz wenig Tschechen sind, könnten 
nach Auffassung mancher Politiker dem deutschen Österreich über 
lassen werden. Auf diese Weise könnte die deutsche Minorität 
ganz bedeutend verringert werden. Dagegen darf nicht vergessen 
werden, daß es auch bedeutende tschechische Minoritäten in 
Nieder-Österreich und insbesondere in Wien (</ 2 Million) gibt 
und daß auch in Preußisch-Schlesien Tschechen wohnen u. zw. im 
Glatzer und Ratiborer Gebiet, und eine serbische Minorität in der 
Lausitz. Die Pangermanen haben also kein Recht, immer nur 
auf die Minderheiten in Böhmen hinzuweisen. Der richtige Maß 
stab bei der nationalen Neueinteilung in Europa besteht in ge 
rechter Applikation des Majoritätsprinzips: Was ist richtiger — 
daß mehr als 9 Millionen Tschechen und Slowaken unter der 
Herrschaft der Deutschen, oder daß 3 Millionen Deutsche unter 
der Herrschaft der Tschechoslowaken seien? 
Wenn die Deutschen den Umstand als Hauptargument ins 
Treffen führen, daß ihre Kultur ihnen ein Recht gebe, über minder 
kultivierte Nationen zu herrschen, gilt in diesem Falle dieses 
Argument gewiß nicht, wie eben gezeigt wurde.
	        
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