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Das slowakische Gebiet in Nordungarn hat ein anderes Ge
präge. Es ist ein vorwiegend agrarisches Land und bis heute
verhältnismäßig unentwickelt; und da das Land sehr gebirgig
und die Art der Bodenbewirtschaftung veraltet ist, ist es auch viel
ärmer als die übrigen böhmischen Länder. Der südliche, weniger
gebirgige Teil, ist fruchtbar und erzeugt guten Weizen und sehr
guten Wein. Da der gebirgige Norden über großen natürlichen
Reichtum , verfügt — insbesondere Eisenerze usw. und große
Wälder —, welcher noch nicht ausgenützt ist, könnte das Land
$ehr vorteilhaft industrialisiert werden. Es könnte den böh
mischen Ländern mit jenen Rohstoffen aushelfen, an denen es
ihnen gebricht, also mit Eisenerzen, Kupfer, Gold und Zinn;
es ist Schlesien ähnlich und könnte sich 1 in gleicher Weise ent
wickeln.
Wir dürfen auch die reichen Lager von Uran und Radium
nicht vergessen, die Bäder von Karlsbad, Franzensbad, Marienbad,
Teplitz, Podiebrad, Mseno, Luhatschowitz, Pestany, Trencin-Tep-
litz, Tatrabäder u. a. Die tschechoslowakischen Länder sind in
dieser Beziehung die reichsten in der Welt. Um es kurz zu sagen,
besitzen die bömischen Länder mit Ausnahme von Salz 1 ), Queck
silber und vielleicht auch Naphtha, in Hülle und Fülle alles,
was sie zur kulturellen Entwicklung benötigen, so daß sie
als selbständiges Land sich selbst genügen würden. Sie
würden nicht nur ihre agrarischen, sondern auch einen Groß
teil ihrer Industrieerzeugnisse ausführen. Vom Standpunkte
mancher modernen Nationalökonomen aus betrachtet, könn
ten die tschechoslowakischen Länder ideal genannt werden;
sie sind imstande, sehr gut jene Harmonie zwischen Boden
bebauung und Industrie herzustellen, jene wirtschaftliche Selbst
genügsamkeit, welche von manchen Theoretikern als Bedingung
zur Errichtung kleiner, selbständiger Staaten angesehen wird (siehe
das Kapitel über freien Handel in Gides „Nationalökonomie“).
In solchen Fällen, wie sie etwa der Krieg bedingt, könnten
die tschechoslowakischen Länder sich selbst genügen, sowohl
landwirtschaftlich als auch industriell.
Der natürliche und gewerbliche Reichtum der böhmischen
Länder macht auch eine ausgiebige Besteuerung möglich, und
!) Inzwischen haben wir auch Salz auf unserem Gebiete (Karyntho-
rußJand).