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Bei diesem Stand der Dinge besitzt der Anschluß Italiens
an die Verbündeten und sein Bemühen um den Primat über die
Adria eine bedeutende Wichtigkeit und weist die Italiener und
Jugoslaven, trotz des Streites um Triest und die italienischen
Minoritäten in Istrien und Dalmatien, zu politischer Ver
ständigung an.
Die Jugoslaven verdienen die Sympathien des demokratischen
Europas. Die Serben in Serbien, Montenegro und Ragusa haben
durch ihren Widerstand gegen die Türkei und durch die erfolg
reiche Verteidigung ihrer Freiheit eine große Widerstandskraft
und Tüchtigkeit bekundet; ihr Bildungsdrang ist sehr rege, ihr
Streben nach Beseitigung der Spuren des jahrhundertelangen
türkischen Druckes aufrichtig und wirkungsvoll. Das serbische
Volk ist ebenso wie die Kroaten und Slowenen sehr begabt und
tüchtig. Die Slowenen zeichnen sich durch 1 Arbeitsamkeit und
einen nationalen Idealismus aus, der vor der deutschen Über
macht nicht zurückschreckt. Bisher haben die Jugoslaven, wie
sonst kaum ein Volk, unter ihrer Zersplitterung gelitten. Sie
waren unter fünf Staaten (Serbien, Montenegro, Österreich-Ungarn,
die Türkei — die Minorität in Italien ist gering) und in diesen
Staaten auf ein Dutzend administrativer Provinzen aufgeteilt, ln
kirchlicher Beziehung ist das Volk auch’ nicht einheitlich, es gibt
Orthodoxe (Serben), Katholiken (Kroaten und Slowenen, es gibt
aber auch katholische Serben in Ragusa) und Mohammedaner,
(das Nationalbewußtsein, nämlich das serbische, erwacht erst in
letzter Zeit), aber das Nationalbewußtsein und das Streben nach
Einigung leidet darunter nicht.
Die Wiener und Budapester antisiavische Politik arbeitet eben
mit ihrem divide et impera; die schändliche Diplomatie Ährentals,
welche vor Dokumentenfälschung nicht zurückscheute, hat der
ganzen Welt das sittliche Niveau Österreichs enthüllt. Die
Einigung und Befreiung des ganzen jugoslavischen Volkes ist
gewiß eine der Hauptforderungen des künftigen Europas; Öster
reich hat mit seinem antiserbischen und antirussischen Hasse
diesen Krieg verschuldet, und schon das ist ein genügender Grund,
daß es auf seine deutschen Provinzen reduziert werde 1 ).
x ) Ich stelle mir vor, daß Montenegro nach dem Kriege aufhören
wird, ein selbständiger Staat zu sein. Die verschiedenen historischen
Individualitäten —• Serbien, Kroatien, Istrien und Dalmatien, Bosnien,
Herzegowina und Montenegro — könnten am Anfänge noch selbständige
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