Full text: Das neue Europa: der slavische Standpunkt

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der Verbündeten voraus; ohne Niederlage wird das preußische 
Deutschland und das verpreußte Österreich-Ungarn sich nicht, 
demokratisieren, wird es eine demokratische Organisation Ost- 
Europas nicht zulassen und die erwünschte Entwicklung ganz 
Europas aufhalten. Die österreichischen und ungarischen Minister 
haben in einer, jeden Zweifel ausschließenden Weise erklärt, 
daß sie Gegner des Nationalitätenprinzipes sind, und ihre Friedens 
avancen legen von dieser ihrer Gesinnung ein beredtes Zeugnis 
ab. Ihnen handelt es sich darum, die Dynastien zu retten und 
die usurpatorischen Staatengebilde zu erhalten; Deutschland unter 
stützt zwar überall, wo es ihm gelegen kommt, die Nationen 
gegen seine eigenen Widersacher, aber im eigenen Hause weist 
es die Selbstbestimmung Elsaß-Lothringens, der Polen, der Dänen 
u. a. zurück. Das Wesen des Preußentums und Österreichertums 
tritt auf diese Weise außerordentlich scharf hervor. 
Im Interesse eines dauernden Friedens ist daher der Krieg 
bis ans Ende notwendig. Das bedeutet nicht die Annahme des 
preußischen Standpunktes und seines Militarismus: wir sprechen 
nur für die Verteidigung, eine energische und konsequente Ver 
teidigung. 
Verteidigung ist psychologisch und moralisch etwas vom 
Angriffe völlig Verschiedenes. Die physische Tätigkeit ist in beiden 
Fällen zwar dieselbe, aber die Beweggründe, die Motive und die 
ganze Psychologie ist entgegengesetzt. Jede Tat wird ethisch 
nach den Motiven beurteilt, und darum ist der Verteidigungskrieg 
sittlich zulässig und notwendig. Der offensive, der Angriffskrieg 
ist unzulässig, ist unsittlich. Tolstojs Beurteilung des Krieges 
ist unrichtig — überhaupt ist seine Lehre vom Nichtwiderstreben 
dem Bösen unrichtig, unnatürlich und unter der Maske der 
Humanität unhuman, da es den Gewalttätern das Material vor 
bereitet. Eine wirklich humane Ethik verlangt, daß man immer 
und überall allem Bösen widerstrebe. Der Humanitismus verwirft 
nicht den Verteidigungskrieg, sondern nur den aggressiven Krieg. 
Dieser Standpunkt, meine ich, genügt, um den Einwand der 
Militaristen zu entkräften, daß die Demokratie, die den Angriffs 
krieg verpönt, zum Passivismus und zur Schwächung der Energie 
führe. Es ist ein Unterschied, ob ich mich 1 verteidige oder ob ich 
selbst jemand anfalle; in der ganzen Welt wird der Unterschied 
(zwischen Töten und Morden gemacht und mit vollem Recht.
	        
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