Full text: Das neue Europa: der slavische Standpunkt

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daß Österreich nicht auch auf Berlin einen Einfluß ausübt; in 
monarchistischen Staaten pflegen die persönlichen wechselseitigen 
Einflüsse (der Regierenden und ihrer Ratgeber) sehr stark zu 
sein und in vorliegendem Falle hat Berlin nach dem Jahre 1866 
(wie früher schon) aus taktischen Rücksichten die Person des 
Kaisers Franz Joseph geschont und seinen Allüren soviel als möglich 
Rechnung getragen. Österreich hat oft seine abweichenden An 
schauungen, es besteht zwischen dem Wiener und Berliner Hofe 
eine gewisse Spannung, aber die beiden Dynastien und ihr 
kriegerischer, gegen den Osten gerichteter Imperialismus und 
das böse Gewissen der militaristischen Agressivität machen aus 
Nebenbuhlern Verbündete 1 ). 
Der Anteil Österreich-Ungarns, nicht nur an der Provokation 
des Krieges, sondern auch an der Art und Weise der Führung 
desselben ist jedenfalls sehr bedeutend; es wird z. B. mit großer 
Bestimmtheit behauptet, daß nicht Tirpitz, sondern Burian be 
wirkt hat, daß man sich für den rücksichtslosen Unterseeboot 
krieg entschloß, weil er hoffte, er werde damit das geschlagene 
ö Die Schuld der österreichischen Politik hat kurz vor der Kriegs 
erklärung der Berliner „Vorwärts“ sehr gut erfaßt, als er am 25. Juli 
schrieb: „Verurteilen wir auch das Treiben der großserbischen Na 
tionalisten, so fordert doch die frivole Kriegsprovokation der öster 
reichisch-ungarischen Regierung den schärfsten Protest heraus. Sind doch 
die Forderungen dieser Regierung so brutal, wie sie in der Weltgeschichte 
noch nie an einen unabhängigen Staat gestellt worden sind und können 
nur darauf berechnet sein, den Krieg geradezu zu provozieren. Das 
klassenbewußte Proletariat Deutschlands erhebt im Namen der Mensch 
lichkeit und Kultur flammenden Protest gegen dies verbrecherische Trei 
ben der Kriegshetzer . . . Kein Tropfen Blut eines deutschen Soldaten 
darf dem Machtkitzel der österreichischen Gewalthaber, den imperia 
listischen Profitinteressen geopfert werden.“ 
In gleicher Weise wie der „Vorwärts“ haben sich die deutschen 
sozialistischen Blätter ausgesprochen; ihre Stimmen sind in einer ameri 
kanischen Publikation der deutschen Anhänger Liebknechts angeführt. 
„Die Krise der deutschen Sozialdemokratie“. 
Auch Dr. Viktor Adler, der Führer der deutsch-österreichischen 
Sozialdemokraten, hat zwar mit entsprechender Schonung, aber doch 
mit Bestimmtheit, bekannt, daß Österreich den Krieg verursacht habe, 
als es auf das von Serbien gemachte Zugeständnis nicht mit diplomatischen 
Verhandlungen geantwortet hat. 
Vor ihm hatte Kjellen, ein stark germanophiler Schwede, bekannt 
(„Die politischen Probleme des Weltkrieges“, 1916), Österreich-Ungarn 
hätte die serbische Frage auf friedliche Weise schlichten können, der 
Krieg sei nicht notwendig gewesen. 
Auch der orthodoxe David, von Scheidemanns Mehrheit, beschuldigt 
die Berliner Regierung, sie habe Wien carte blanche gegeben.
	        
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