Full text: Das neue Europa: der slavische Standpunkt

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schleunigung Frankreich zu Boden werfen, noch bevor sich Eng 
land militärisch gerüstet hätte; deshalb brachen die Deutschen auch 
in Belgien ein. Ein militärisches Einschreiten Englands erwarteten 
die Deutschen nicht, und in diesem Punkte wurden sie das Opfer 
eines Irrtums, ebenso wie sie sich auch in der Beurteilung der 
Franzosen irrten, — sie wollten in wenigen Wochen in Paris 
sein; sie täuschten sich auch hinsichtlich der militärischen Stoß 
kraft Rußlands; bezüglich der österreichischen Armee und ihrer 
Führer waren sie auch von falschen Voraussetzungen ausgegangen 
und hatten auch nicht daran gedacht, daß sich Amerika an die 
Verbündeten anschließen werde. Aber trotzdem wurde der pan- 
germanische Plan vorläufig verwirklicht. Fleute sieht das deutsche 
Zentral-Europa folgendermaßen aus: Deutschland hat 68Millionen 
Einwohner; dazu verfügt es über Österreich-Ungarn (51), Bul 
garien ( 5 V 2 ) und die Türkei (21) — zusammen über 146 Millionen. 
Schon diese Ziffer genügt, daß Berlin Rußland, dem größten Staate 
Europas, Widerstand leisten kann. Rußland hat zwar um 30 Mil 
lionen Einwohner mehr, hat aber Mangel an Eisenbahnen und 
Straßen, hat eine dünne Bevölkerung auf dem ungeheuren Ter 
ritorium und überdies verschafft die russische Rückständigkeit 
in wirtschaftlicher, finanzieller und kultureller Hinsicht Zentral- 
Europa ein entschiedenes Übergewicht. Ein Übergewicht nicht 
nur gegen Rußland, sondern auch gegen Frankreich. 
Deutschland besetzte noch Belgien ( 61 / 2 ), Nordfrankreich ( 6 ), 
Serbien (5), Montenegro (V 2 ); in Rußland hält es die baltischen 
Provinzen, Polen mit Litauen und die Ukraine besetzt — etwa 
60 Millionen. Deutschland verfügt somit über 224 Millionen 
Menschen. Dort, wo es sich keine militärischen Kräfte zu Nutze 
machen kann, beutet es die finanziellen und wirtschaftlichen Kräfte 
für sich aus. Außerdem beutet es Finnland aus und in hohem 
Umfange auch Rußland. 
Rußland, strategisch durch die Revolution geschwächt, hat 
einen schädlichen und unehrenhaften Frieden abgeschlossen — 
die Schiemanns und Rohrbachs haben vorläufig ihr Ziel erreicht. 
Reventlow hofft nunmehr umso zuversichtlicher, daß er auch 
sein Ziel erreichen werde. Deutschland und sein Zentral-Europa 
hat von Beginn des Krieges an den Vorteil der Zentralisation und 
einheitlichen Organisation aller Kräfte für sich; überdies war 
Deutschland strategisch und politisch (Plan und Ziel des Krieges) 
gerüstet, während die Verbündeten nicht vorbereitet waren, ihre
	        
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