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des Krieges und zum Abschluß eines richtigen Friedens ist es
sehr wichtig, das nationale Prinzip gebührend klar zu stellen.
Das nationale Prinzip verschafft sich in Europa seit dein
18. Jahrhundert Geltung und zwar nicht nur politisch und sozial,
sondern auch philosophisch, in der Literatur, in der Kunst und
im gesamten Leben. Seit dem 18. Jahrhundert (2. Flälfte) kann
man wahrnehmen, wie in Italien und in Deutschland die Sehn
sucht nach und die Bemühungen um Einigung der Nationen, welche
im Mittelalter in zahlreiche Staaten zerteilt waren, im Zunehmen
begriffen sind. Um ihre Einigung und Befreiung bemühen sich
zugleich die unterjochten Völker; auf dem Balkan erheben sich
gegen die Türkei die Serben, Griechen, Bulgaren, Albanesen. Das
selbe sieht man in Österreich und in Rußland; gleichzeitig mit der
französischen Revolution verzeichnen die Historiker das nationale
Erwachen und die Wiedergeburt der Tschechen und Slowaken,
der Magyaren, Jugoslaven und überhaupt aller Völker in Öster
reich, Rußland und überall, die Deutschen und Italiener nicht
ausgenommen. Dieser Prozeß der nationalen Individualisation
ist so mächtig, daß Versuche zur Verselbständigung des Slo
wakischen, des Kleinrussischen, des Provencalischen und anderer
Dialekte und Sprachen, welche bisher literarisch nicht gepflegt
worden waren (das Irische und dergl.) unternommen werden.
Die flämische, norwegische, irische Frage und andere nehmen da
ihren Ursp'rung.
Philosophisch wird das Nationalgefühl, die nationale Idee
in der gesamten Literatur heimisch. Im 18. Jahrhundert z. B.
beginnt das Studium der Volkslieder, und Männer, wie Herder
und andere, bemühen sich in den Volksliedern das Volkstum, den
nationalen Geist, wie man für gewöhnlich sagt, zu erfassen. In
dieser Zeit lebt auch ein intensiveres Sprachstudium und die ver
gleichende Sprachwissenschaft auf, es entstehen die wissenschaft
lichen Fächer der Germanistik, Slavistik, Romanistik. Zugleich
wird überall die Geschichte sehr fleißig gepflegt und alle Ge
sellschaftswissenschaften und dies mit dem ausgesprochenen Ziele,
das Wesen der eigenen und der fremden Nationen in allen
Äußerungen des geistigen Lebens philosophisch zu begreifen und
sich das Verständnis der Entwicklung der eigenen Nation und
der ganzen Menschheit zu erschließen. (Z. B. die sog. historische
Rechtsschule — Savigny —, die wirtschaftliche — von List —
a. A.) Bei allen Nationen wird bewußt nationale Philosophie